Hallo Oliver, vielen Dank, dass du uns heute für ein Gespräch zu Verfügung stehst. Für all unsere Leser die dich noch nicht kennen, magst du dich einmal vorstellen? Wer bist du und was machst du?
Ich bin Gründer und Geschäftsführer von vonwerschpartner Digital Strategies. Wir beraten Medienunternehmen in digitalen Strategiethemen, wobei unser Fokus vor allem auf Daten-, Plattform- und Monetarisierungsfragen liegt. Davor war ich viele Jahre in Führungspositionen bei Gruner + Jahr, Burda und Bertelsmann in der Branche unterwegs.
2. Wie siehst du als Digital Strategy Expert die Zukunft der klassischen Medien? Lineares TV stirbt und „print is dead already“?
Mediennutzung wandelt sich substanziell und davon sind alle Medienkanäle betroffen. Ich persönlich glaube, dass es auch auf lange Sicht noch klassische Mediennutzungen wie Print oder lineares TV geben wird – nur in deutlich anderer Form, als wir es heute kennen. Und: Medienmarken, die keine Antworten auf die strategischen Herausforderungen von Daten und Plattformen haben, werden es sehr schwer haben.
3. Was ist deine Lieblings Digital Success Story?
Da gibt es viele. Ganz persönlich freue ich mich, dass ich in meiner Zeit bei Gruner + Jahr in der
Initialphase von AppLike Impulse geben konnte. AppLike ist eine App-Empfehlungsplattform, die global agiert und heute eines der am schnellsten wachsenden AdTech Unternehmen in Deutschland ist. Beeindruckend finde ich aber auch die digital convenience, die Plattformen wie Uber oder AirBnB bieten.

4. Wenn man sich im Markt umhört, werden im Zusammenhang mit digitalem Erfolg viele Phrasen gedroschen. Von hochwertigem Content über gute Usability bis zu starken Marken werden alle möglichen Schlagwörter genannt aber nichts Neues gesagt. Welcher innovative Ansatz hilft wirklich, mit digitalen Publishingprodukten nachhaltige Kundenbeziehungen aufzubauen und erfolgreich zu sein?

So blöd das klingt: ich glaube, es gibt kein Patentrezept. Eine Publishingmarke muss es heute schaffen, daten- und nutzerzentriert ihre Zielgruppen zu erreichen und sich neue Zielgruppen zu erschliessen. Wer das nicht schafft, wird es schwer haben. Guter Content allein ist kein Patentrezept und reicht in der Plattformwelt längst nicht mehr aus, um Erfolg zu haben.

5.Die Geschäftsführung der taz hat kürzlich verlauten lassen, dass das Print Business mittelfristig eingestellt wird. Meinst du, ein Produkt wie die taz funktioniert rein digital? Und wenn ja, ist das dann noch substantielles Geschäft oder eher Peanuts? 
Von Außen betrachtet ist das, was die Marke taz im Digitalen in den letzten Jahren getrieben hat, ein reines Trauerspiel. Dass Print schrumpft, liegt in der Natur des Strukturwandels – da man dort aber offenbar einen Gutteil der Zukunft verschlafen hat, kann es sein, dass es auf lange Sicht schlicht zu spät ist.
6.Du hast viele Jahre bei G+J gearbeitet. Wie wichtig waren dort die starken Marken, um Unabhängigkeit von Google und Facebook zu schaffen? 
Ohne Marken ist alles nichts, aber Marken sind nicht alles. Ich glaube, dass meine ehemaligen Kollegen bei G+J es ganz gut schaffen, die Stärken der Marken auch digital erfolgreich in Szene zu setzen. Die Schlüssel liegen in KPI-basiertem Arbeiten, Technologie, guter Monetarisierung und einem schlauen Umgang mit den „Frenemies“. Da sind ganz wenige Verlage heute weiter, als G+J.
7.Wie müssen deiner Meinung nach die Investitionen eines Medienhauses in Zukunftsprodukte strukturiert sein? Sollten man sich ggfs. vom Kerngeschäft etwas entfernen, um genau dieses über sonstige Erlösströme zu retten?
Auch hier: keine Patentrezepte. Für die eine Marke funktionieren Events oder eLearning gut, für die andere eCommerce oder Merchandising. Wenn man den Mut hat, viel auszuprobieren und konsequent zu agieren, wenn mal etwas nicht funktioniert, dann entsteht daraus eine gute Mischung von Kerngeschäft und neuen Erlöskanälen. Marken und Publisher neuer Art wie Sponsors oder OMR machen das ja ganz gut vor.
 
8.Wegen GDPR sind über 1000 U.S News Websites für europäische User nicht mehr zugänglich. Wie ist deine Meinung dazu?
Klassischer Fall von Übertreibung – Und im rechtlichen Sinne keinesfalls notwendig, so hart zu agieren. Aber das scheint sich in den USA noch nicht flächendeckend herumgesprochen zu haben. Wir haben ca. 20 Medienhäuser im GDPR Prozess beraten; Probleme substanzieller Art hat keines bislang gehabt. Aber wie wir alle wissen, ist GDPR ja in vielen Details noch nicht praxistauglich und ich vermute, dass es vielen US-Publishern deshalb einfach zu kompliziert war, das umzusetzen.
 
9.Wenn du dir die aktuelle Entwicklung anschaust, kann ein Newspublisher auch künftig rein über digital Advertising nachhaltig erfolgreich sein oder ist das Funktionieren von Paid Content Modellen zwingend?
Digital Advertising wird sich in den nächsten Jahren substanziell verändern. So werden es z.B. Publisher, die keinen Zugang zu Daten haben und von ihren Nutzern keine Zustimmung zu Tracking erhalten, sehr schwer haben. Auch Content Marketing und Native werden starke Budgetshifts weg vom klassischen Display bewirken. Da kommen dann zwangsläufig andere Monetarisierungsformen ins Spiel. Aber nicht jede Marke ist geeignet für Paid Content. Nicht jeder kann die New York Times sein.
10. Was glaubst du, wie das Medienhaus der Zukunft aussieht? TV, Print, Digital, Audio etc. … Verschmelzen die Kanäle nicht und man muss bald jeden bedienen?
Jeder Marke muss ihren eigenen Weg finden, über alle Kanäle. Um den Weg zum Medienhaus der Zukunft zu finden hilft nur das Sprichwörtliche: fail fast, fail often! Wir helfen häufig unseren Kunden dabei, schneller scheitern und damit schneller lernen zu können. Man muss z.B. nicht an Blockchain, VR oder KI als Königstechnologie für Medien der Zukunft glauben. – Aber man sollte ausprobiert und verstanden haben, wie es funktioniert.