Lieber Peter, vielen Dank, dass du uns heute für ein Gespräch zur Verfügung stehst! Viele unserer Leser mögen sich fragen, wo die Verbindung zwischen WLW und dem Publisher Business liegt. Magst du dich und dein Unternehmen kurz vorstellen?

„Wer liefert was“ (wlw) hat mehr mit dem klassischen Publishing- bzw. Verlagswesen gemein, als man heute vielleicht denken könnte. Das Unternehmen wurde 1932 als Ausstellerverzeichnis der Leipziger Messe gegründet. Die ersten 60 Jahre waren wir ein Verlag, der Nachschlagewerke für Lieferanten druckte, quasi die Gelben Seiten für den B2B-Bereich. wlw war aber immer schon ein fortschrittliches Unternehmen, führte 1970 Microfiche und 1980 Jahren die CD-ROM ein, und so gingen wir bereits 1995 online. Die letzten Bücher wurden zwar schon im Jahr 2000 gedruckt, an den Strukturen eines Verlags hat sich aber lange Zeit nichts geändert. Heute sind wir der führende Online B2B-Marktplatz in der DACH-Region, mit unserer Tochtergesellschaft EUROPAGES sogar in Europa und beschäftigen über 300 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg und Paris.

2. Eure Wurzeln liegen also im „Old School Publishing“ und die Herausforderung, vor der ihr seit einiger Zeit steht, ist die nachhaltige Veränderung eines Geschäftsmodells, um den Sturm der Digitalisierung zu überstehen. Richtig?

Wenn man so will, ja. Allerdings sind wir schon einen Schritt weiter und haben einen großen Teil der Digitalisierung bereits vollzogen. Ich bezeichne uns daher gern als „Re-Start-up“. Als ich im Sommer 2012 bei wlw als geschäftsführender Gesellschafter einstieg, hatten wir ein eigenes Verlagsgebäude in einem Gewerbegebiet mit Dieselnotstromgenerator für das hauseigene Rechenzentrum und Druckmaschinen im Keller. Heute sitzen wir in der ABC-Straße direkte neben Google, mit Facebook und Xing in der Nachbarschaft. Wir sind eine agile Internet-Company. Druckmaschinen sucht man heute bei uns vergebens, dafür haben wir jetzt Ruby-Entwickler und SEO-Manager, die sich auch mal am Kicker oder bei einer Partie Tischtennis duellieren. Unser Geschäftsmodell hat sich gar nicht so fundamental geändert. Wir bieten unseren Kunden nach wie vor Reichweite und Sichtbarkeit in der für sie sehr interessanten und wichtigen Zielgruppe der professionellen Einkäufer. Geändert hat sich aber das Medium: vom gedruckten Buch hin zu einem Marktplatz für B2B-Produkte im Internet.

3. Viele Verleger alter Schule empfinden die Digitalisierung immer noch eher als Risiko denn als Chance. Du siehst es naturgemäß anders. Aber lässt sich mit digitalem Verlagsgeschäft wirklich echtes Geld verdienen? Insbesondere vor dem Hintergrund der Power, die Google und Facebook entwickeln?

Peter F. Schmid – CEO Wer liefert was

Ich bin davon überzeugt, dass das reine Directory-Business, also das Geschäftsmodell als Nachschlagewerk bzw. als Lieferantensuchmaschine wie es wlw noch bis vor wenigen Jahren war, mittelfristig sterben wird. Das bedeutet, auch wir müssen und entwickeln uns auch jeden Tag weiter. Wir haben jedoch den großen Vorteil, dass wir einen über 80 Mitarbeiter großen Außendienst haben, der bei unseren Kunden persönlich vor Ort ist und wir dadurch den Markt und unsere Kunden sehr gut kennen. Dadurch können wir individuell auf die Bedürfnisse des deutschen Mittelstands eingehen. Denn wir wollen der Enabler, der Partner des deutschen Mittelstandes bei der Digitalisierung ihres Einkaufs und ihres Vertriebs sein. Und der Mittelstand steht hier noch total am Anfang. Wir arbeiten wir daran, die führende B2B-Plattform in Europa zu werden und dieses Feld nicht den Amerikanern oder Asiaten zu überlassen.

4. Wie wichtig ist Branding in einem Geschäft wie dem Euren? Kann man nicht davon ausgehen, dass Google generell den Großteil aller Suchanfragen abgreift und Ihr überhaupt nur eine Chance habt, wenn wlw als Marke sehr tief bei den Einkäufern aller Branchen verankert ist?

Wir profitieren natürlich von unserem Bekanntheitsgrad und dem Vertrauen, das der Marke „Wer liefert was“ entgegengebracht wird. Darüber hinaus investieren wir in die Marke in Form von z.B. Online- und TV-Werbung. Aber wir bieten unseren Nutzern, also den beruflich Recherchierenden, schon heute die beste Suche im B2B-Bereich und scheuen den Vergleich zu Google nicht. Wir haben aktuell über neun Millionen Produkte auf der Plattform, und täglich werden es mehr. Diese Anzahl an Produkten mit den richtigen Schlagworten zu versehen und in die richtigen Kategorien einzuordnen, sodass sie richtig, präzise und schnell gefunden werden, das ist unsere Kernkompetenz. Diese Suche immer weiter zu verbessern, daran arbeiten wir jeden Tag.

5. Woher kommen die Suchanfragen auf eurer Plattform? Generiert ihr selbst auch Traffic über Google und Facebook? Macht es ggfs. für euch sogar Sinn, Traffic über Display Kampagnen zu generieren?

Wir haben jeden Monat 1,3 Millionen Unique Users auf unserer Plattform. Der größte Teil der Besucher, also des Traffics kommt von selbst auf die Plattform. Aber wir investieren auch in SEO- und SEA-Maßnahmen. Gibt man z.B. bei Google einen B2B-Suchbegriff ein, findet sich in der Regel unter den Top 3 sowohl in den organischen als auch in den bezahlten Google-Ergebnissen ein wlw-Eintrag.
Auf Wunsch konzipieren und steuern wir für unsere Kunden auch Adwords- oder Retargeting-Kampagnen, wenn sie zusätzlichen Traffic auf ihr Firmenprofil leiten wollen.

6. Content is King sagt man ja. Über die Produktdaten liefern eure Kunden euch ja den Content. Solange ihr die Daten dann entsprechend aufbereitet, findet man euch über Google. Zumindest auf der Seite müßtet Ihr dann doch kein Marketing betreiben. Oder ist das zu einfach gedacht?

Leider ist es auch im Jahr 2018 noch nicht so, dass jedes mittelständische Unternehmen seine Produktdaten in ausreichender Qualität zur Verfügung stellen kann. Für uns arbeitet ein 30-köpfiges Team, das nichts anderes macht, als die Produktdaten auf den für uns notwendigen Standard zu optimieren. Das geht bei der richtigen Benamung der Bilder los und geht bis zur Überprüfung, ob Beschreibungstexte auch zu den Produkten passen. Außerdem ist die dynamische Suche, also sich je nach Kategorie verändernde Such- und Filtermöglichkeiten, eine echte Herausforderung. Wir sind auf einem guten Weg, aber hier gibt es noch viel zu tun.

7. Viele unserer Leser produzieren ja eher redaktionellen Content. Ist deren Geschäft komplett anders als das Eure oder könnten sie etwas von euch lernen?

Zielgruppen, Inhalte und auch Erlösmodelle unterscheiden sich bei Content-Portalen schon sehr von uns. So ist unser B2B-Marktplatz zum Beispiel komplett werbefrei. Wir betreiben mit INSIDE BUSINESS aber auch ein Online B2B-Magazin. Hier veröffentlichen wir pro Jahr über 200 Artikel aus der B2B-Welt. Ziel ist die Kundenbindung mit wlw zu stärken und unsere B2B-Ausrichtung redaktionell zu verlängern; aber auch neue Nutzer finden über die Artikel einen Zugang zu wlw. Die Themen reichen von „Digitalisierung des Mittelstandes“ über „Einkauf“ bis hin zu einem „Messekalender“. Neben den eigenen Artikeln haben wir Kooperationen mit „M – Das Mittelstandmagazin des Zeitverlags“ und dem Magazin „Clutch“, deren Print-Content wir online zweitverwerten und bieten Sonderwerbeformen wie Advertorials an. Hier blitzt dann doch noch unsere alte Verlags-DNA auf.

8. Welche Themen neben Web und App werden für euch in Zukunft wichtig? Bekommen Alexa, Siri und Co auch irgendwann Zugriff auf eure Datenbank?

Unser Ziel ist es, der Data Hub für B2B-Produkte in Europa zu werden. Ein Unternehmen liefert uns seine Produktdaten, in welcher Form auch immer, wir veredeln diese und verteilen sie neben „Wer liefert was“ und EUROPAGES auf alle gewünschten Plattformen, zum Beispiel auch in klassische Einkäufer-Tools wie SAP Ariba. Wenn Einkaufsabteilungen zukünftig stärker auf Algorithmen und Bots setzen, werden wir uns dem sicherlich nicht verschließen.

9. Wie wird das euer Geschäftsmodell verändern?

Wer sich in der heutigen Zeit nicht selbst disruptiert, wird disruptiert. Daher überdenken wir unser Geschäftsmodell ständig. Aktuell zahlen nur Kunden, die ein kostenpflichtiges Firmenprofil bei uns pflegen. Darüber hinaus bieten wir Zusatzservices wie bessere Platzierungen auf den Ergebnisseiten oder die angesprochenen Adwords- und Retargeting-Kampagnen an. Die Suche und unsere Plattform monetarisieren wir aktuell hingegen gar nicht. Ich glaube nicht, dass wir in drei Jahren noch so unser Geld verdienen. Denkbar sind z.B. Geschäftsmodelle, die eher auf Reichweite und Traffic basieren.

Lieber Peter vielen Dank für deine Antworten!