Hallo Anja, vielen Dank, dass du uns heute für ein Gespräch zu Verfügung stehst. Für all unsere Leser, die dich noch nicht kennen, magst du dich einmal vorstellen? Wer bist du und was machst du?
Ich bin Co-Founder der pryntad GmbH, dem neuen Marktplatz für Printwerbung. Unser Ziel ist es, das Buchen gedruckter Anzeigen so einfach und effizient zu machen wie noch nie. Gleichzeitig bin ich Geschäftsführerin der Agentur 4millions, die u.a. Verlage bei der Weiterentwicklung ihrer Businessmodelle und Erschließung neuer, innovativer Erlösquellen unterstützt. Aus dieser Tätigkeit ist auch die Idee für pryntad entstanden. Zuvor habe ich das Vermarktungsgeschäft unterschiedlicher Segmente bei der Bauer Media Group verantwortet und bin inzwischen rund 20 Jahre im Vermarktungs- und Publishing-Business tätig.

2.In nur ein paar Sätzen: Was ist Pryntad?
pryntad wird ein neuer Marktplatz für Anzeigen in Tageszeitungen, Magazinen usw., auf dem Advertiser publisherübergreifend Anzeigen buchen können. Die Advertiser geben Ihr Kampagnen-Gebot ab und nennen ihre Targetingvorgaben. Publisher, die mit den Vorgaben matchen erhalten das Gebot und entscheiden, ob sie es annehmen. Sie sitzen stets im Driver’s Seat und behalten somit die Rabattkontrolle.
Im Fokus steht zunächst eine Direct-Deal-Variante, bei der wir diese Lösung einzelnen Publishern zur Bearbeitung ausgewählter Kundenpotenziale und Generierung neuer Leads anbieten.
pryntad adaptiert somit gelernte, erfolgreiche Prozesse aus der Digitalvermarktung auf das analoge Medium Print. Wir denken Print digital.

3.Deutsche Verlage sind ja nicht gerade als Innovationskönige bekannt. Kann man die wirklich davon überzeugen, die Vermarktung von Printanzeigen programmatisch und über eine digitale Plattform zu betreiben? Das müsste doch so manchem Verlagsmanager den Schweiß auf die Stirn und den Betriebsrat auf die Barrikaden treiben, oder?
Ja, die Frage ist durchaus berechtigt! Allerdings sind die Publisher auch froh um jeden Impuls, der ihr Kerngeschäft retten könnte. Und so sind wir bei allen, mit denen wir bisher gesprochen haben, auf sehr große Offenheit gestoßen. Pryntad schafft einen völlig neuen Eingangskanal für Printerlöse und macht auch neuen Kunden den Zugang zum Print-Werbemarkt leicht. So können Publisher ihre vorhandenen Teams in der Vermarktung gezielt für die persönliche Kundenbearbeitung und den personalintensiven Konzeptverkauf einsetzen. Und die Kundensegmente, bei denen das nicht rentabel ist, werden über pryntad an das Portfolio herangeführt. So organisieren sich große Digitalunternehmen auch.

4.Wenn die Verlage mit euch arbeiten, geht es da hauptsächlich um Effizienzgewinne im Vermarktungsprozess oder bringt ihr auch zusätzliche Budgets in den Kanal?
Es geht auf jeden Fall um beides! Wir bringen einerseits Effizienzgewinne, indem wir für Kunden einen sehr leichten Zugang zu den jeweiligen Titeln schaffen und der Publisher Umsätze ohne hohe Cost of Sales generieren kann. Andererseits geht es natürlich auch darum, zusätzliche Erlöse zu erzielen. Sei es aus Kundenpotenzialen, die vom Vermarkter nicht (mehr) aktiv bearbeitet werden oder über Leads, erstmals über ein conversion-orintiertes Online- Marketing zugeführt werden.

5.Woher kommen die zusätzlichen Budgets? Es geht doch sicher nicht darum, die ins Internet abgewanderten Kampagnen zu Print „zurückzuholen“, oder?
Warum eigentlich nicht? Wenn Print genauso schnell und einfach buchbar ist wie wir es von digitalen Plattformen kennen, halte ich es für realistisch, darüber die Abwanderung von Budgets zumindest mal abzuschwächen. Bei der Frage, woher die Budgets kommen halten wir besonders alle Kunden für relevant, die nicht durch eine Mediaagentur betreut werden und über pryntad mit deutlich geringerem Zeitaufwand ihre Printbuchungen selbst tätigen können. Das sind vor allem mittlere und kleinere Kunden. Auch Kunden aus eher ländlichen Regionen, die gar nicht oder nur sporadisch von den Sales-Teams der Publisher betreut werden, bieten großes Potenzial. So können z.B. auch Sonderausgaben und Aktionen gepusht werden, die man über klassische Sales-Strukturen gar nicht so schnell in den Markt tragen könnte.
Zusätzlich sehen wir z.B. Digital-Agenturen, die zunehmend auch andere Kanäle programmatisch hinzubuchen. Im Sinne eines 360-Grad-Ansatzes machen wir hier Print zugänglich.

6.Digital wächst, Print schrumpft. Warum ist euer Business trotzdem sexy? Oder verzögert ihr einfach nur das Sterben um ein paar Jahre?
Unser Business ist natürlich sexy! 🙂 Der Print-Werbemarkt – also Zeitschriften, Zeitungen und Anzeigenblätter – ist immer noch mit in Summe rund 8 Mrd. Euro Brutto-Media-Spendings allein in Deutschland (Nielsen-Daten) sehr groß. Pro Jahr erscheinen rund 5 Mrd. Print-Exemplare, die von der IVW erfasst werden. Dazu Kundenmagazine und unabhänige Titel.
Und gerade weil dieser Markt schrumpft bedarf es ja smarter neuer Lösungen. Wir bringen Buchungsaufwand und -nutzen für alle Beteiligten in ein zukunftsfähiges Verhältnis und sehen uns damit keinesfalls als Sterbebegleiter.

7.Wie seid Ihr mit eurer Firma aufgestellt? Würde es sich für euch anbieten, wenn sich Verlage als Gesellschafter/Investor engagieren? Ist das vielleicht schon der Fall?
Wir befinden uns gerade mitten in einem „Proof of Concept“, um mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen passende Investoren zu finden. Dass wir für die Programmierung und den Betrieb der Plattform starke Partner benötigen ist klar und wir sind dabei für alle Seiten offen. Allerdings sehen wir im Moment auch große Vorteile darin, ein neutraler Player zu sein, weil die einzelnen Publisher so leichter und ohne Vorbehalte mit uns arbeiten können. Deshalb haben wir es nicht forciert uns an einen Publisher zu binden.

8.Was glaubst du, wie das Medienhaus der Zukunft aussieht? TV, Print, Digital, Audio etc. … Verschmelzen die Kanäle? Und welchen Einfluss hat das auf die Vermarktung?
Ganz sicher werden Publisher versuchen, ihr Portfolio in Zukunft weiter auszubauen und ihre Marken auf möglichst vielen Kanälen auszuspielen.
Für die Vermarktung bedeutet das zweierlei: Zum einen sollten die verschiedenen Kanäle in Form von kreativen Kundenlösungen sinnvoll konzertiert werden. Das ist anspruchsvoll und bedeutet einen hohen Aufwand in puncto Produktschulungen, Angebotserstellung und Sales-Trainings. Nicht alle Publisher sind entsprechend aufgestellt. Zum anderen müssen die einzelnen Kanäle einfach und effizient buchbar und handlebar gemacht werden, um im Vermarktungsaufwand effizient zu bleiben. Genau hier setzen wir mit pryntad an.

9.Häufig sträuben sich Publisher dagegen, auf Dienstleister zu setzen oder geben diesen sehr enge Grenzen vor. Entstehende technologische Abhängigkeiten einerseits und die Hoffnung auf größere Einsparpotentiale bei Nutzung eigener Lösungen scheinen die Ursache dafür zu sein. Magst du hier einmal deine persönliche Sichtweise mit uns teilen?
Ja, diese Tendenz kennen wir ebenfalls. Grundsätzlich ist das auch nachvollziehbar. Allerdings verhindern die oft noch komplexen internen Strukturen der Publisher mitunter, dass innovative Ansätze intern zielgerichtet vorangetrieben werden können. Gute Ideen bleiben somit „auf halber Strecke stecken“ und werden schlussendlich nicht realisiert. Wir fragen uns manchmal, warum lasst Ihr Euch nicht helfen? Bei Marktlösungen wie pryntad, die publisherübergreifend funktionieren sollen, halte ich es für sehr schwierig, diese aus einem einzelnen Verlagshaus heraus aufzubauen.

10.Stell dir einmal vor, du würdest in einem durchschnittlichen deutschen Verlag mit 100 Jahren Tradition arbeiten. Welche Top 3 Themen würdest du jetzt sofort angehen, komplett ohne „Rücksicht auf Verluste“?
1. KonsequenterinternerKulturwandelfüreinneues,modernes Selbstverständnis, vorgelebt von einem mutigen Management, inkl. Einführung einer Innovations- und Testkultur, in die alle Teams einbezogen wird
2. ErschließungneuerGeschäftsfelder,überdasKerngeschäfthinaus,z.B. in den Bereichen E-Commerce, Events oder Agentur- und Serviceleistungen
3. UndnatürlichEinführungvonpryntadalsinnovativenundeffizienten neuen Sales-Kanal zur Optimierung der Vermarktung