Moin Arne! Herzlich Willkommen beim Publisher Talk der Publisher Business Conference. Sag unseren Lesern doch bitte mal wer du bist und was du machst.

Moin und danke für die Einladung! Ich bin Arne Wolter und seit ziemlich genau
vier Jahren als Chief Digital Officer für das Digitalgeschäft von Gruner + Jahr verantwortlich. Dazu zählt zum Beispiel unsere Vermarktungsplattform AppLike, das Greenhouse Innovation Lab, New Business/M&A und der Fonds Digital Ventures. Außerdem bin ich Geschäftsführer von Chefkoch, die seit 2011 zu G+J gehören. 

2) Du machst den Job des CDOs nun ein paar Jahre. Warst du in der Wahrnehmung der Kollegen früher der, der das gute Alte kaputtmacht und mit fancy Tools unerfüllbare Hoffnungen weckt und bist heute der, der den Laden mit den digitalen Innovationen am Leben hält? Lange Rede, kurzer Sinn: Hat sich die Stimmung der Leute sehr geändert, wenn du mit deinen Themen kommst?

Altes kaputtmachen klingt mir zu sehr nach Transformation mit dem Vorschlaghammer. Der Job ist ja viel besser: Ich darf mit meinen Teams aufbauen, verändern, neudenken. Wir entwickeln Bestehendes weiter oder suchen neue Geschäftsideen, die zu G+J passen. Mit diesem Rollenverständnis stößt man in den meisten Fällen auf offene Ohren. Die Leute haben Lust auf Veränderung.

3) Das Magazin „JWD“ von und mit Joko Winterscheidt wird eingestellt. Laut Joko ist der Grund dafür nicht aktuell fehlender Erfolg, sondern die künftig zu erwartenden Turbulenzen im Markt und die nahezu nicht mögliche (wirtschaftliche) Planbarkeit für Printprodukte im nächsten Jahr. Wenn er richtig liegt, gilt das sicher für viele Eurer Printprodukte. Was bedeutet das für dich und deinen Job? Noch mehr digitale Produkte in noch höherer Frequenz auf den Markt bringen?

Welches Geschäft, welche Marke, welches Produkt erfolgreich sein wird, lässt sich heute sicher noch weniger voraussagen als früher. Das trifft auf Digital genauso zu wie auf Print. Diese Unwägbarkeiten muss man einplanen und aus Misserfolgen fürs nächste Mal lernen. Im Greenhouse testen wir Ideen sehr genau, bevor wir sie auf den Markt bringen. Wir schauen uns Zielgruppen, Nutzerbedürfnisse, Marktpotentiale und Conversions an. Erst, wenn das alles passt, investieren wir.  

4) Mit dem Verkauf von Ligatus an Outbrain und der über Outbrain dann realisierten Beteiligung an Taboola habt ihr einen Top Move hingelegt! Kannst du sagen, in welcher Größenordnung ihr nach Abschluss des Mergers an Taboola beteiligt sein werdet?

So viel kann ich sagen: Wir sind ganz schön zufrieden.

5) Eine wichtige Innovationssäule bei Gruner + Jahr ist das Greenhouse. Die Kollegen der Mediengruppe RTL machen da nun auch mit. Besteht die Gefahr, dort zu „konzernig“ zu werden? Wie verhinderst du das?

Da vertrauen wir auf eine einfache Erfolgsformel: Wir bringen die richtigen Leute am richtigen Ort zusammen. Die Greenhouse Kolleginnen und Kollegen sitzen bewusst nicht am Baumwall, sondern haben ihr Büro ein paar Kilometer entfernt im Hamburger Schanzenviertel – für uns das perfekte Verhältnis von Nähe und Distanz, um Innovationen in hohem Tempo auf den Weg zu bringen. Und das wird auch unter den beiden neuen Managing Directors Eva Messerschmidt und Tim Adler so bleiben. In der Zusammenarbeit und mit den Reichweiten der Mediengruppe RTL gibt es, gemeinsam mit den Marken von G+J, noch mehr Möglichkeiten, Ideen groß zu denken. Wer sonst kann auf eine solche Power zurückgreifen?

6) Kannst du das Investitionsvolumen und die Erfolge des Greenhouse quantifizieren und ins Verhältnis setzen? Vielleicht kannst du auch die eine oder andere Erfolgsstory konkret benennen? AppLike ist das „dickste Ding“, oder?

Seit der Gründung 2015 haben wir uns hunderte Ideen im Greenhouse angesehen und um die vierzig in Projekten getestet. Etwa jede fünfte Idee bekommt nach der intensiven Testphase grünes Licht und wird auf den Markt gebracht. AppLike war das erste Projekt, das wir nach Greenhouse-Methoden entwickelt haben – noch bevor es das Greenhouse, so wie es heute ist, gab. Jetzt ist AppLike die umsatzstärkste und auch profitabelste Unit im G+J Digitalgeschäft. Sehr stolz sind wir auch auf unsere Audio Subscriptions Apps wie „Balloon“ und die „Hirschhausen-Diät“, mit denen wir in diesem Jahr schon über 1 Mio. Euro Umsatz machen werden, Tendenz weiter stark wachsend. 

7) Welche Schwerpunkte setzt Ihr in eurer Innovationsstrategie und warum? Wie sehr muss neues Business content driven sein? Oder wäre ein reines „Tech and AdSales Gruner“ im Jahr 2030 für euch auch okay?

Wir entwickeln Medienprodukte für die digitale Gesellschaft, vermarkten und vertreiben sie und bauen rund um unsere Marken Zusatzgeschäft auf. Das sind unsere Verlagssäulen, in denen wir weiter Innovationen denken und umsetzen. 

8) Glaubst du, die Medienbranche muss sich langfristig mit dem wahnsinnig hohen Innovationsdruck auseinandersetzen oder wird etwas Ruhe einkehren, wenn die Digitalisierung „erstmal geschafft“ ist? Oder anders gefragt: Kehren die guten alten Zeiten nochmal zurück?

Ich finde, wir leben in wahnsinnig spannenden Zeiten! Wir können so viel ausprobieren, neu machen, testen. Wir stehen teilweise vor Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Das ist doch für Menschen, die neugierig sind und unternehmerisch agieren wollen, eine riesige Chance. Und ich glaube, dass wir immer besser mit der zunehmenden Komplexität, Schnelligkeit und dem Innovationsdruck umgehen können. Das ist auch gut so. Langsamer wird sich die Welt in Zukunft bestimmt nicht drehen. 

9) Gibt es ein Thema, dass dich in unserer Branche so richtig nervt und das du unbedingt mal öffentlich ansprechen möchtest? Los geht’s! 

Eher der Blick von außen auf unsere Branche: Das Bild der trägen Verlage, die sich schwer tun mit der Digitalisierung, hält sich hartnäckig – trotz so vieler positiver Beispiele, kreativen Ideen und Hands-on-Mentalität, die bei uns in der Branche herrscht.