Lieber Arno, vielen Dank, dass du dich unseren Fragen im Publisher Talk stellst! Magst Du Rocket Beans TV und dich persönlich einmal kurz vorstellen?
Ich bin Arno Heinisch, das „A“ in „BEANS“, und seit 2011 Geschäftsführer der Rocket Beans Entertainment GmbH. Im Januar 2015 haben wir Deutschlands ersten, unabhängigen 24/7-Stream Rocket Beans TV ins Leben gerufen. Dort machen wir rund um die Uhr Programm für Nerds in vielen verschiedenen Ausprägungen: Zu Gaming, Kino, Serien, Fußball und allem, in das man sich detailverlieben kann.
2. Aktuell wird der Branche sehr viel über den kommenden Tod des linearen Fernsehens gesprochen. Netflix, Amazon Video, DAZN etc. sind die Zukunft, die klassischen TV Sender sind die Vergangenheit. Wie siehst du die Thematik und wo positioniert sich Rocket Beans TV in dem Zusammenhang?
Diese Tendenz sehe ich ebenfalls, ja. Durch die genannten Dienste wird jeder Zuschauer zu seinem eigenen Programmchef. Und der Konkurrenzkampf um die Zuschauergunst wird von vielen verschiedenen Playern geführt.
Wir gehen in dieser Hinsicht einen etwas anderen Weg. Natürlich werden unsere Sendungen und Shows auch als VODs in unserer Youtube-Mediathek angeboten. Und es ist in unseren Abrufzahlen auch spürbar, dass sich die Tendenzen von live zu VOD verschieben. Wir haben aber gute Gründe, weiterhin unseren 24/7-Livestream in den Fokus zu stellen und Formate und Shows, die live funktionieren, zu pushen. In der Umsetzung cooler Live-Produktionen liegt eine unserer größten Qualitäten, daher setzen wir hier eindeutig einen Schwerpunkt. Unser Programm zeichnet sich sozusagen durch eine Neuerfindung von Linearität und Interaktivität aus. Denn die Sendungen, die wir live machen, werden häufig um Elemente erweitert, die dem Zuschauer die Möglichkeit bieten, mitzumischen. Das geht vom Videoklicks-Raten bei „Verflixxte Klixx“, über das Tippen auf den erfolgreichsten Spieler bei unserer Pokersendung „Final Table“ bis zum „Chat Duell“, bei dem die Zuschauer die Antworten vorgeben. Am Tag geben diese Zuschauer bis zu 100.000 Kommentare im Chat oder unter unseren Videos ab. Bei unseren Topvideos haben wir eine Interaktionsrate von über 15%. All diese Shows funktionieren auch als VOD, aber live – und dementsprechend linear konsumiert – bieten sie einen deutlichen Mehrwert.
3. Logischerweise war der Zugriff auf hochwertigen Content für TV-Sender schon immer erfolgsentscheidend. Allerdings geht die Entwicklung mittlerweile dahin, dass Sender den Content mehr als früher selbst produzieren. Ist diese Beobachtung deiner Meinung nach richtig und wenn ja, was sind die Gründe dafür?
Im Bereich Fiktion ist diese Beobachtung sicherlich richtig. Sender und Produktionsfirmen wie HBO, Netflix und Sky haben hier die Messlatte in den vergangenen Jahren enorm hochgelegt. Klassische TV-Sender versuchen vermutlich nachzuziehen, um Zuschauer auf ihren Plattformen (klassisch im TV oder den Sender-eigenen Mediatheken) zu halten.
Im Bereich Unterhaltung sehe ich diese Entwicklung weniger deutlich. Hier setzen wir eher auf Unterhaltung auf Augenhöhe statt auf Shows mit Shiny Floor und Showtreppe.
4. Das Produzieren von Inhalten für Kunden ist auch eine wichtige Ertragssäule für Rocket Beans TV. Produziert ihr hauptsächlich Branded Content für Werbetreibende oder auch „klassischen“ TV Content?
Wir produzieren beides, Branded Content und Auftragsproduktionen. Das Auftragsproduktions-Business soll auch weiter ausgebaut werden, denn aus diesem Bereich kommt die Rocket Beans Entertainment GmbH ja ursprünglich. Dementsprechend verfügen wir über ein ausgesprochen breites Netzwerk sowie eine große Expertise. Mit „Game Two“, das wir für funk, das Content-Netzwerk von ARD und ZDF, produzieren, beweisen wir Woche um Woche, dass wir unser Handwerk in diesem Bereich exzellent verstehen.
5. Welches sind Eure erfolgreichsten eigenen Sendungen und in welchen Größenordnungen bewegen sich die Zuschauerzahlen?
Unsere erfolgreichsten Formate sind die Rollenspiel-„Pen & Paper“-Abenteuer, die kompetitive Gaming-Sendung „Royal BEEF“ und das Gaming-Magazin „Game Two“.
Die Währung, in der wir unsere „Quoten“ messen, sind die sogenannten Watched Hours. Hiermit zählen wir sowohl die Live- als auch die VOD-Zuschauerzahlen auf YouTube und Twitch, denn die insgesamt verbrachte Zeit mit unserem Content ist für uns maßgeblich. In der Regel erzielen wir pro Woche insgesamt zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Watched Hours. Die genannten Shows erreichen live um die 20.000 Zuschauer. Und die VODs dazu erzielen innerhalb weniger Tage jeweils sechsstellige Abrufzahlen.
6. Inhalte sind natürlich extrem wichtig für Erfolge in den jeweiligen Zielgruppen. Aber was glaubst du wie stark der Sendekanal Youtube die Ausprägung eurer Zielgruppe beeinflusst? Oder mit anderen Worten gefragt, kann ein Online TV Sender heute schon erfolgreich „Seniorenprogramm“ machen?
Es gab unsere Inhalte und unsere Zielgruppe zum Großteil ja schon bevor wir uns entschieden haben, unseren Live-Stream auch bei YouTube auszuspielen. 90% unserer Community ist zwischen 18 bis 34 Jahre alt und 80% unserer Zuschauer sind männlich. Dementsprechend beeinflusst der Sendekanal unseren Content nur sehr bedingt. Ebenso relevant wie Youtube ist für uns der Live-Stream auf Twitch. Hier würde man mit der Zielsetzung, ganz zielgruppenspezifischen Content zu machen, auch etwas anderes als unser Programm erwarten. Aber unser Programm ist so facettenreich, dass wir auf jeder Plattform Zuschauer abholen können. Deshalb versuchen wir, möglichst viele Ausspielungswege zu nutzen.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Online-TV-Sender heute in der Lage wären, „Seniorenprogramm“ zu machen, ja. Es geht in erster Linie darum, Bewegtbild anzubieten, nicht um den Ausspielungsweg „Fernsehen“ oder „Internet“.
7. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Youtube und wie würdest du mögliche Abhängigkeiten von diesem Partner bewerten?
Wie bereits angedeutet, ist Youtube für uns eine Plattform unter mehreren. Wir produzieren unseren Content unabhängig von diesem Partner. Natürlich ist Youtube einer der größten Player, in erster Linie aber als VOD-Anbieter. Live haben andere Plattformen eine ebenso hohe Relevanz.
8. Was glaubst, wohin ihr euch als TV Sender entwickeln werdet? Werdet ihr verstärkt in den Wettbewerb mit den „Platzhirschen“ gehen?
Nein, das werden wir nicht tun. Wir haben weiterhin Bock auf Nische und kennen unsere Zielgruppe für diesen Bereich recht gut. Wir sind als Nerdsender gestartet und werden uns weiterhin in diesem Feld bewegen. Denn RBTV steht für etwas. Rocket Beans ist verspielt, menschlich, echt, mutig und unabhängig. Wir verstehen uns als Kollektiv und freie Wertegemeinschaft auf Augenhöhe mit unseren Fans und Zuschauern. Natürlich gibt es hier aber noch Luft nach oben. Die Erhöhung unserer Reichweite ist deshalb ein wichtiges Ziel.
9. Gibt es neben euren aktuellen Geschäftsfeldern weitere spannende Zukunftsthemen für Euch? Andere Medienhäuser veranstalten ja beispielsweise Konferenzen, sind Technologiedienstleister oder sind sehr aktiv in der werblichen Vermarktung von Drittanbietern.
Was in diesem Jahr auf jeden Fall noch ansteht, ist der Relaunch unserer Website und eine komplett neue Sender-CI. Wir hoffen, damit im Juli / August live zu gehen. Wir wollen unsere eigene Plattform stärken und nutzerfreundlicher machen. Außerdem programmieren wir hier zurzeit diverse interaktive Features, die richtig gut und auch lustig werden. Wir spielen Fernsehen und unsere Community soll mitmachen. Hier ist aber noch etwas Geduld gefragt, zuerst gibt es die neue Website und frische Sender-CI. Die neuen digitalen Items werden dann nach und nach implementiert.
10. Wenn wir uns die etwas fernere Zukunft anschauen. Wie lange wird die Unterscheidung der Medienhäuser in Verlage, TV Sender, reine Online Player und meinetwegen Radiosender noch Bestand haben? Werden Anbieter von Content nicht überall dabei sein müssen, von der Website über den Youtube Kanal bis zum Podcast?
Die Unterschiede werden mit Sicherheit mehr und mehr verwischen. Die Öffentlich-Rechtlichen sind hierfür ein passendes Beispiel: Jeder Sender hat eine eigene Mediathek. Für die Verwertung der Audio-Inhalte wurde letztes Jahr eine eigene App veröffentlicht. Und die Website der Tagesschau und heute.de bieten alle Nachrichten auch im geschriebenen Wort an. Umgekehrt bieten SPIEGEL Online und sueddeutsche.de zusätzliche Bewegtbild-Inhalte an.
Ich bin mir aber sicher, dass es auch weiterhin Möglichkeiten für spezialisierten Content geben wird. Kleinere, unabhängige Creator werden auch in Zukunft nur ausgewählte Plattformen bespielen. Die großen Player müssen ihre Inhalte aber in möglichst vielfältiger Form anbieten und unterbringen, um relevant zu bleiben. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch leider immer noch: Im Internet lässt sich durch Bewegtbild wesentlich weniger Geld verdienen und die TV-TKPs liegen nach wie vor weit über denen im Netz. Wir können unseren Sender noch nicht durch die Werbeeinnahmen von YouTube, Twitch und WAIPU.TV refinanzieren. Dies gelingt uns über Sponsoren, Enabler und Branded-Content-Produktionen. Und das bestärkt uns auch in unserem Vorhaben, uns noch mehr vom Sender zu einer digitalen Plattform mit zusätzlichen digitalen Produkten zu transformieren, auch um neue Erlösströme zu generieren.