Hallo Christoph! Schön, dass du uns heute im Publishertalk zur Verfügung stehst! Du beschäftigst dich ja seit Jahren mit Digital Publishing und Online Marketing. Magst du dich und deine Projekte einmal ganz kurz vorstellen?

Gern. Ich bin Christoph Burseg aus Hamburg & habe einige Online Unternehmen gegründet. Angefangen habe ich als Webseitenbetreiber. Vor meiner ersten Gründung habe ich u.a. als Produktmanager für DIE WELT gearbeitet und eine faszinierende Wachstumsphase miterlebt. Ich habe danach ein paar Jahre als Consultant so ziemlich alle großen deutschen Nachrichten-Seiten zu SEO-Themen beraten und kümmere mich jetzt seit ein paar Jahren um das Thema Youtube. Mit unserer Analyse-Software VeeScore.com können Unternehmen Insights in Markt, Wettbewerber und Trends gewinnen.

2. Viele deiner Kunden sind Verlage. Aus dieser Richtung hören wir immer noch sehr häufig, dass sich mit digitalem Publishing kein Geld verdienen lässt. Im Vergleich zu den Erlösen aus dem Printgeschäft sei das alles immer Peanuts. Teilst du diese Einschätzung?

Ich glaube im Print sind Print-Verlage extrem gut – im digitalen Publishing extrem schlecht. Ausnahmen gibt es natürlich. Daher liegt es natürlich eher an der Strategie und häufig auch an der Umsetzung, warum es nur Peanuts zu verdienen gibt. Im Internet geht man wegen der Inhalte zu einem Angebot – aber wird selten für diese Inhalte zahlen. Das Festhalten an der ewig gleichen Antwort ‚Banner‘ und ‚Paywall‘ für austauschbare Inhalte wird auch die nächsten 10 Jahre kein vergleichbares Geld bringen.

 3. Neben den Erlösen aus dem klassischen Bannergeschäft versuchen Publisher Erträge aus Paid Content zu generieren. Wird diese Kombination deiner Meinung nach langfristig ausreichen, um hochwertige Contentangebote und Qualitätsjournalismus zu finanzieren?

Christoph Burseg – Veescore.de

Absolut – aber nur für Beratungsthemen. Bei der Entscheidungshilfe für Investitionen, Verträge, Fortbildung – da klingelt es. Bei dpa Artikeln mit neuer Überschrift und zeitlich sehr begrenzten Inhalten sind wir wieder bei den Peanuts. Qualitätsjournalismus wird den Nutzern erst wieder etwas wert sein wenn er mal eine Zeit komplett fehlt oder er so ausgedünnt ist, dass es kein kostenloses Substitut gibt. Beides ist zur Zeit nicht erkennbar.

4. Neben der Monetarisierung des Traffics ist für viele Publisher aber schon das generieren von Traffic eine Herausforderung. Gerade die Abhängigkeit von Google und Facebook als mittlerweile wichtigste Gatekeeper macht Publishern zu schaffen. Wie siehst du die Abhängigkeit von diesen beiden Playern?

Heute ist ein Publisher von Google abhängig, gestern war er von der guten Beziehung zum Print-Werbekunden abhängig – die Feindbilder ändern sich aber die Probleme bleiben. Monopolartige Gatekeeper sind auf jeden Fall eine Herausforderung – aber wegkritisierbar. Und zu jedem Zeitpunkt gibt es ja auch Gewinner, welche die Algorithmen für sich nutzen können. Wer in der Zeit jedoch mit alten Waffen und Ideen in den Kampf zieht wird bluten.

5. Mit Veescore analysierst du Youtube. Mal etwas platt gefragt: Was bringt es mir, wenn ich als Publisher Content bei Youtube einstelle? Verschenke ich da nicht einfach nur wertvolle Inhalte, mit denen Google als Youtubes Konzernmutter dann Geld verdient?

Verschenken ohne ROI-Konzept ist in jedem Business eine endliche Strategie. Reichweiten-Erfolge auf Youtube sind aber natürlich auch Geld wert: Vermarktungserlöse, kostenlose Akquise von Nutzern für die eigene Website, Upselling von Produkten an die Zuschauer, Performance-Links, Produktplatzierungen, gesponserte Videos, App-Installs. Dauerhafte Beziehungen zu Subscribern, Patreon, Merchandise, Markenbildung – die Refinanzierungsmöglichkeiten sind wirklich groß und ständig kommen smarte Ideen dazu. Es mangelt Verlagen aber am Schritt 1: Aufbau von Reichweite. Mit 1.000 Views auf einem Video nach 10 Tagen liegt es nicht am zu geringen TKP, sondern es mangelt am passenden Inhalt.

6. Wenn wir uns die Reichweiten diverser Youtube Kanäle anschauen, liegen oft die klassischen Publishermarken weit hinter reinen Youtube Publishern. Warum bekommen es „die Alten“ nicht hin, den Kanal vernünftig zu bespielen?

Publisher fangen bei Youtube wieder an, wie die IVW Online-Zählung 2005. Es wird nur auf die Views geschaut und nach 2 Wochen einmalig Bilanz gezogen. Außerdem haben sie große Scheu davor weniger Views zu bekommen als ein 12-jähriger, der zeigt wie er seine Zahnspange reinigt.
Youtube-Kanalbetreiber beschäftigen sich tiefer und lernen von Video zu Video. Sie sind sich auch nicht zu schade nach Kommentaren, Likes und Subscribern zu fragen. 
Sie lernen aus der Analyse wo Zuschauer abspringen, zuschalten, welche Suchwörter die Zuschauer in der Youtube-Suche eintippen und bauen sich ein riesiges Archiv an Videos auf. Und das zu aberwitzig kleinen Produktionskosten. Ohne Studio, Sprecher, Postproduktion lohnt sich das Experimentieren halt schneller. Aber statt von 10 Jahren Youtube in Deutschland zu lernen und alle Fehler zu vermeiden fangen die Verlage ganz unten an.

7. Welche Erlöse können Publisher erzielen, wenn sie das Thema Youtube richtig in den Griff bekommen?

Zusatzerlöse neben den reinen Werbeeinnahmen sind auf jeden Fall notwendig. Pro 1.000 Views verdiene ich bei Youtube ungefähr 1 €. Deutsche Youtube Influencer verdienen aber durch Produktplatzierung einen TKP von über 50 €. Klingt das nicht interessant genug, sich tiefer mit Youtube zu beschäftigen?

8. Wenn ich mich als Publisher heute entscheide, auf Youtube aktiv zu werden, gibt es so etwas wie die drei Grundregeln, an die ich mich auf jeden Fall halten muss?

1. Die Youtube Suche ist dein Freund – sei du auch freundlich zu ihr: Optimiere deine Videos. 
2. Bis heute hat dein Inhalt hier niemand vermisst. Such dir Evergreen-Themen und mache dazu das bestmögliche Video. So kämpfst du dich nach vorne.
3. Nutze Youtube Analytics zum Auswerten deiner eigenen Videos und VeeScore.com um deine Wettbewerber zu verstehen.

9. Neben Google und Facebook als Plattformen, die mit Ihren Reichweiten die Werbebudgets nahezu aufsaugen, spielen die Influencer im digitalen Ökosystem eine immer größer werdende Rolle. Im letzten Jahr hatten wir ein Panel: „Influencer – wandern Reichweite und Werbebudgets wirklich von den klassischen Medien ab?“ Wie ist deine Einschätzung dazu? Steht beispielsweise eine Kochzeitschrift in echtem Wettbewerb mit hunderten deutschen Foodbloggern, -vloggern, -instagrammern? Und wenn ja, wie sollte man dem Wettbewerb begegnen?

Nutzer wollen jeden Inhalt als Video. Niemand will einen Inhalt lesen, wenn er ihn auch als Video konsumieren könnte. Und deshalb bekommt Sallys Tortenwelt auch 60.000 Stunden Brutto-Sendezeit auf ihre Kochvideos …. PRO TAG! Das sind 60.000 Stunden, die nicht gelesen wird. Ich würde schon sagen im Kampf um Zeit und Aufmerksamkeit sind Influencer momentan die Gewinner. Und damit werden auch die Werbegelder weiter stark zu ihnen wandern.

10. Welche Rolle spielen Publishermarken heute deiner Meinung nach? Helfen sie, von den Gatekeepern unabhängiger zu werden oder sind sie eher nicht mehr so wichtig, weil Nutzer fast ausschließlich direkt auf bestimmte Inhalte gehen bzw. von Google und Facebook geschickt werden?

Pulishermarken verblassen bis auf wenige Ausnahmen immer weiter. Du musst eine Plattformmarke sein: Du musst sichtbar und beliebt sein auf Instagram, auf Facebook, auf Youtube, auf Google. Und dafür musst Du den Plattform-Algorithmus kennen und ihm gefallen.

 

Vielen Dank Christoph!