Lieber Ilhan, vielen Dank, dass du uns heute für ein Interview zur Verfügung stehst! Magst du dich und dein Unternehmen unseren Lesern vielleicht mal in drei, vier Sätzen vorstellen?

Klar gern. Vor ziemlich genau zwei Jahren habe ich zusammen mit meinen Co-Foundern Mario Tiedemann und Dennis Kirschner ShowHeroes aus der Taufe gehoben. Im Frühjahr 2016 war ich noch für plista/Xaxis bzw. die GroupM, deren Roll-Out ihrer Native Advertising Platform ich in mehr als 15 Märkten verantwortete, auf der SXSW Conference in Austin, Texas. Während der Konferenz erhielt ich einen Anruf von einem Freund, der mir von der Idee eines Start-Ups zur Produktion von Mobile First Videos vorschwärmte. Auf meiner ‘Welt-Tournee’ für plista & Co. hatte ich immer wieder mit den verschiedensten Publishern, Media Outlets, Brands und Agenturen zu tun – und Mobile Video lag für alle im Fokus. Die Idee weckte also sofort mein Interesse, da sie sich nicht nur durch großes Umsatzpotenzial, sondern vor allem durch einen konkret problemlösungsorientierten Ansatz auszeichnet: Publisher wirken mithilfe von ShowHeroes Video Content und Player Technologie den sinkenden digitalen Werbeerlösen entgegen, die vor allem durch das stetige Voranschreiten der mobilen Transformation gekennzeichnet sind. Auf der anderen Seite, machen Brands die dadurch entstehende neue, nutzerinitiierte Nettoreichweite im Videosegment nutzbar und rücken endlich messbare KPIs wie Viewability in den Mittelpunkt. Initiativen wie die DSGVO kommen ShowHeroes‘ vorwiegend semantischem (Matched Content) Targeting zusätzlich entgegen. Und natürlich positionieren wir uns hier klar als sinnvolle Ergänzung (Brands) bzw. Alternative (Publisher) zu Youtube und Facebook, deren Schlagzeilen zu mangelnder Brand Safety durch UGC oder korrupten Viewmetriken nur die Spitze des Eisbergs sind.

ShowHeroes trifft hier einfach den Zahn der Zeit und ist im Grunde ein Publisher One-Stop-Shop für Mobile First Video inkl. Asset Management, Video Produktion, Syndication Network/Marketplace und Yield Optimierung – um einmal möglichst viele Anglizismen in einem Satz unterzubringen. 🙂

2. Würdest du also sagen, ihr seid so eine Art Film- und Fernsehproduktionsfirma für das Internet?

Das – und noch viel mehr. Die ShowHeroes Video Platform bietet Publishern neben der Lizensierung von professionell produzierten, redaktionellen Content Videos auch die passende Player Software für ihre Website oder App, Asset Management und insb. Vermarktung des so entstehenden Inventars. Letzteres schlägt dann die Brücke zur Buyside, Brands und Agenturen, die durch ShowHeroes erstmalig Zugang zu neuem hoch-performanten und Nutzer-initi

Ilhan Zengin – GF ShowHeroes

iertem Video-Inventar erhalten.

3. Die deutsche Medienlandschaft befindet sich ja seit mindestens einem Jahrzehnt im Umbruch. Liegt das deiner Meinung nach nur an der Digitalisierung und der internetgetriebenen Veränderung des Nutzungsverhaltens oder spielen auch andere Faktoren eine Rolle?

Richtig, das sind die beiden treibenden Faktoren. Umbruch als Begriff impliziert aber nur eine vorübergehende Phase: vielmehr handelt es sich um eine neue Zeitrechnung, eine neue Geschwindigkeit. Etablierte Medienhäuser sehen sich bisher unbekanntem Innovationsdruck ausgesetzt und begeben sich in fatale Abhängigkeitsbeziehungen mit Google und Social Networks – das gilt übrigens nicht nur für die deutsche Medienlandschaft.

An dieser Stelle lässt sich z.B. auch vortrefflich über Facebook diskutieren. Brands (Buy-Side) werden mit hohen Engagement Raten, präzisem User-Targeting und endloser Reichweite gelockt. Doch wer hat denn die 3 Sekunden View-Benchmark im Markt etabliert? – Facebook. Warum, versteht jeder, der sich einmal Videoverlaufskurven im Vergleich angeschaut hat. Was im Direct Response Geschäft bestens funktioniert, muss für Brand Building nicht gut und richtig sein. Neben messbaren Kennzahlen spielen hier v.a. Qualität und Nutzung(ssituation) des Umfeldes eine Rolle. Für Publisher kommt erschwerend hinzu, dass Facebook hier bewusst die Domäne etablierter Medienhäuser angreift und mit 3rd Party Content auf einer Plattform Branding-Euros verdienen möchte. Für Publisher ist es daher schon lange an der Zeit zu reagieren und sich zu überlegen, was Facebook eigentlich so stark macht und in welchem Rahmen man Gelerntes eben auch mal adaptieren kann, um sein eigenes Produkt zu stärken und zukunftsfähig zu gestalten.

Und auch wenn das jetzt ein wenig abgegriffen klingt: Mobile ist immer noch ein riesiges Transformationsthema. Man muss sich nur einmal die Umsätze etablierter Premium Publisher und Vermarkter auf mobilen Flächen anschauen oder sich überlegen warum bspw. Bewegtbildreichweite immer noch zu Schleuderpreisen auf long-tail App-Umfeldern eingekauft wird – ohne (verlässliche) AdVerification, VAST 4 etc. Wir sind da (wie eigentlich immer) noch ganz am Anfang und mittendrin zugleich.

4. Unter der Berücksichtigung der oben angesprochenen Veränderungen, hat sich der Wert von Content verändert? Gibt es viel mehr Massenware?

Es ist richtig dass es mehr Masse gibt. Massenware dagegen impliziert minderwertige Qualität. Tatsächlich steigt aber auch die verfügbare Menge an gutem und sehr gutem Content. Was den tatsächlichen Wert der Inhalte anbelangt, gibt es zwei Perspektiven: für den einzelnen Nutzer hat sich der Wert von Content möglicherweise verändert: das Angebot ist praktisch endlos, vieles ersetzbar durch die andauernde Flut neuer Beiträge. Für Unternehmen wie Publisher steigt in diesen Zeiten der Wert von Content dagegen dramatisch an: erschwinglicher, professioneller Content ist zur Lebensader geworden. Ohne verlässliche, dauerhafte Produktion relevanter Inhalte geht insb. im Videobereich rein gar nichts mehr. Wer keinen relevanten Content bieten kann, verliert selbst an Relevanz, damit seine Nutzer und perspektivisch an Umsätzen.

5. Die Produktion von Content ist einer der wichtigsten Kostenfaktoren in einem Medienhaus. Viele gehen nun den Weg, den Content nicht exklusiv zu nutzen sondern nur zu lizensieren. Das gleiche Video läuft also auf mehreren Websites. Blöd für den Nutzer, oder?

Kosten sind das richtige Stichwort in diesem Zusammenhang. Für viele Unternehmen ist die zeitlich begrenzte Lizensierung von Inhalten der Einzige und gleichzeitig ein hervorragender Weg, professionelle Videos in ihre Angebote zu integrieren. Und auch die Nutzer profitieren von den überwiegenden Vorteilen: Angebote werden interessanter und hochwertiger, Überschneidungen sind eher selten – zumal die Inhalte auch für Lizenzmodelle individualisiert und dem jeweiligen Publisher angepasst werden. Für den User entstehen hier in der Regel keine Doubletten. Die Gesamtreichweite des Marktes (v.a. inkl. Social) wird hier einfach oft unterschätzt. Jeder kann hier einmal für sich selbst beantworten, wie oft man ein und dasselbe Content Video an unterschiedlicher Stelle wahrgenommen hat. Dass im Daily News Segment hemmungslos voneinander „abgeschrieben“ wird, ist dagegen keine wirklich neue Beobachtung und liegt ein Stück weit in der Natur der Sache. Für ShowHeroes‘ Partner ist an dieser Stelle einfach nur wichtig, dass lizenzfreier Content ausschließlich in neutraler Form (also z.B. ohne individualisiertes Packaging) auf die Plattform gestellt wird.

6. Die Nachfrage nach Videocontent wächst massiv, gleiches gilt für das Auslieferungsvolumen von Videoadvertising. Allerdings verlängern viele Advertiser nur die TV Werbung ins Netz. Dem 20 Sekunden Fußballerinterview wird also die 30 Sekunden Waschmittelwerbung vorgeschaltet. Ist das nicht Wahnsinn?

Videowerbung verhält sich nicht anders als andere Formate: je besser die Einbettung in das kontextuelle Umfeld ist, desto größer die Werbewirkung. Dabei müssen Content und Werbebotschaften in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, das ist im Print nicht anders. Und ja: wie bereits diskutiert, ist der Markt (Buy- und Sell-side) hier nach wie vor nicht in der Lage unmittelbar auf die (z.B.) mobile Transformation der Mediennutzung einzugehen. Aber zieht sich das nicht eigentlich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Medien? OOO zu Radio zu TV zu… Gefühlt hinkt das Gros der Branche immer mind. eine Generation hinterher. Andererseits beflügeln doch genau solche Defizite den Innovationsgeist junger, aufstrebender Unternehmen. Wenn der Markt permanent alles im Griff hätte, hätten Unternehmen wie ShowHeroes und Co. nie das Licht der Welt erblickt.

Um das Thema abzuschließen: Wir empfehlen unseren Partnern oft kürzere Spots und angepasste Kreation, die auch mobil stark und wirksam sind. Doch auch wenn die Adaption bei ShowHeroes inklusiv angeboten wird, buchen viele große Brands weiterhin auf TV KPIs und Umfelder ein. Das funktioniert dann zwar im Mediaplan, ich wünsche mir aber, dass an dieser Stelle einmal ein wenig kontroverser über Nachhaltigkeit bzw. Werbewirkung diskutiert wird. Für Agenturen müssen wir Brands immer noch oft rein auf VTR einkaufen. Da wird dann erwartet, dass z.B. durchschnittlich 90% VTR auf einen 16:9 30-Sekünder ohne Text-Overlay über alle Devices erzielt wird. InApp, Inpage, Instream. Eingekauft wird in so einem Fall in der Regel programmatisch. Gerne für einen TKP um die 10 EUR. Wie hochwertig solche Metriken dann langfristig wirklich sind bzw. überhaupt sein können, muss jeder für sich selbst beantworten. Jeder User sieht sich einen Spot, der nicht mal auf das Device optimiert ist, aktiv bis zum Ende an – in einem Premium Umfeld? Wo soll da Nettoreichweite erzeugt werden, vor allem wenn man bedenkt, dass diese mittlerweile klar im Mobile InRead zu verorten ist.

7. Viele Publisher haben heute schon einen Trafficanteil auf mobilen Endgeräten von mehr als 40%, mit steigender Tendenz. Vor welche Herausforderungen stellt euch das bei der Produktion von Videos?

Videos für mobile Endgeräte werden von Grund auf anders entwickelt und produziert. Der Nutzungssituation und den Gewohnheiten der Endnutzer entsprechend, werden Formate hinsichtlich Spannungsbogen und Spieldauer angepasst, das Bildmaterial muss für kleinere Screens geeignet sein und es ist wichtig, die Schlüsselbotschaften auch ohne Sound zu übermitteln: soweit es geht durch Bilder, unterstützt durch Untertitel, falls mal keine Kopfhörer zur Hand sind. Durch unsere Erfahrung mit Kunden aus unterschiedlichsten Branchen und mittlerweile weit über 15.000 produzierten Einheiten, sehen wir bei unseren Videos exzellente Ergebnisse für ShowHeroes‘ Partner.

8. Kannst du uns ein Gefühl dafür geben, welchen wirtschaftlichen Impact eine Zusammenarbeit mit euch für einen Publisher haben kann?

Absolute Zahlen können an dieser Stelle natürlich nicht wiedergegeben werden. So als grobe Richtungsangabe: ShowHeroes‘ Premium-Partner realisieren jährliche Zusatzerlöse im relevanten sechsstelligen Bereich. Kostenersparnisse auf Produktionsseite, Social Media Reichweite & Umsätze einmal außen vor.

9. Welchen Impact haben Adblocker auf euer Geschäft?

Grundsätzlich liegt AdBlocking im Trend. Mittlerweile haben rund 11% der globalen Internet Nutzer einen AdBlocker installiert, das ist immerhin ein Wachstum von 30% allein im letzten Jahr. ShowHeroes bzw. unsere Partner sind hier jedoch nur in geringem Maße betroffen. AdBlocker sind nach wie vor ein Desktop-Phänomen. Auf Mobilgeräten kommen Adblocker nur bei rund einem Prozent der Nutzer zum Einsatz. Zudem ist ShowHeroes aufgrund innovativer Stitching-Technologie vergleichsweise resistent gegen AdBlocker.

10. Was ist eigentlich die größte Herausforderung für euch? Das richtige Personal zu finden, den Vertrieb zu machen oder etwas ganz anderes?

Ohne das richtige Team, ist die beste Produktidee wenig wert bzw. wird vermutlich nie in die Tat umgesetzt. Daher beginnt die Reise im eigenen Unternehmen: die richtigen Kollegen zur richtigen Zeit haben überhaupt erst dafür gesorgt, dass ShowHeroes ein vergleichsweise rasantes Wachstum am Markt hinlegen konnte. Vertrieb, Marketing und PR sind natürlich wichtig, doch wirklich nachhaltige, innovative Unternehmen legen ihr Fundament an der Basis. Nur so können wir unseren Partnern langfristige Kooperation und Produktinnovation garantieren. Davon abgesehen löst ShowHeroes eben kontemporäre Probleme z.B. für die Supply-Side. Das macht sich im Vertrieb immer positiv(er) bemerkbar. Trend und Zeit spielen uns hier in die Karten.

Lieber Ilhan vielen Dank für deine interessanten Antworten. Wir sehen uns am 14. Juni!