Liebe Laura, heute zum zweiten Mal in unserem Publisher Talk: Du bist im neuen Job und bringst neue Themen mit. Was machst du aktuell denn so?

Hi Michael, ich freue mich total wieder hier zu sein. Danke für die Einladung. Ich bin der Mobile-Welt treu geblieben, arbeite jetzt für die Firma Airship, die Marktführer im Bereich Customer Engagement Plattformen ist. Das heißt alles was man zur cross-channel Orchestrierung braucht in einer Plattform, von Mobile Push, über SMS, In-App Automatisierten Nachrichten und e-Mail sowie Web Push bieten wir eine ganze Bandbreite an Kanälen und Funktionalitäten um es Marken so leicht wie möglich zu machen ihren User immer zum besten Zeitpunkt, auf dem präferierten Kanal und Gerät mit der idealen Nachricht zu erreichen. Es macht Spaß und gerade in Zeiten von Corona haben wir Höchstauslastung auf unserer Plattform. Unsere Bestandskunden nutzen gerade die mobilen Kanäle extrem intensiv. Das ist auch klar, der Nutzer baut in dieser Zeit gerade noch mehr auf sein Smartphone und darüber auf die Nähe zu seinen Lieblingsbrands und Apps, da ist es wichtig eine gute Nutzererfahrung zu bieten.

2) Alle reden über die Nutzererfahrung – aber selbst der Publisher mit der besten UX hängt doch immer noch an den Erlösen aus Ad Sales… und je kleiner der Bildschirm, desto schlechter die Preise… oder? Geht es also nicht eher darum, bessere Werbeformate mit besserer Performance zu höheren TKPs zu verkaufen?

Ich denke, dass Werbeformate sich auf jeden Fall weiterentwickeln müssen. Allerdings wird dieser Erlös-Kanal sich mehr demokratisieren. Er wird nicht mehr der Hauptkanal oder der einzige Kanal sein, sondern er wird einer von mehreren Erlöskanälen eines Publishers sein. Daneben werden Abo-und Micropayment Modelle mehr und mehr angenommen werden. Und bei allen Revenue-Streams steht und fällt der Erfolg mit der User Experience. Das klingt jetzt dramatisch, aber wenn wir den User dazu bringen wollen etwas zu tun, müssen wir ihm eine gute Erfahrung bieten dabei, damit er es tut. Das kann die Tatsache sein, häufiger meine Website oder meine App zu besuchen, ein Abo abzuschließen, etwas zu kaufen, etwas zu bewerten, sich zu authentifizieren. Das alles mache ich als User nur, wenn ich den Nutzen und den Wert dahinter verstehe und wenn ich Lust habe mich auf der Seite und in der App des Publishers aufzuhalten und das geht nur, wenn die Experience stimmt. Es gibt genug Wettbewerb, wenn der User es bei einem Publisher nicht gut findet, geht er zu einem anderen. Daher steigt hier der Druck auf die Branche sich mehr mit Personalisierung, Orchestrierung und Optimierung über die verschiedenen Kanäle auseinanderzusetzen. Gerade die mobilen Kanäle werden immer wichtiger, der Medienkonsum über das Smartphone hat den Desktop schon überholt. Aber aus dem Kanal kann man soviel mehr herausholen als es die deutschen Publisher es zur Zeit tun.

3) Bei den neuen Revenue Streams stehen Pay Walls ganz oben auf der Liste aber mal ehrlich: Welcher Nutzer wird sich parallel die Abos für Musikstreaming, ein bis zwei Streaming TV-Anbieter, eine regionale digitale Tageszeitung, ein digitales Magazin-Abo und/oder eine überregionale Tageszeitung plus die Gebühren für die Öffentlich-Rechtlichen Anbieter leisten können oder wollen? Da ist man ja schnell bei rund 100 EUR Kosten pro Monat…

Wenn ich mal darüber nachdenke, wie viele Medien wir früher zu Hause hatten und wieviel das kostete finde ich das gar nicht so abgehoben. 1 regionale Tageszeitung, 2-3 Magazin-Abos und dann kaufte mein Vater eine Menge CDs. Nur weil das Internet für viele Jahre einige Medien kostenlos zur Verfügung stellte, heißt es nicht, dass wir nicht schon einmal mehr dafür ausgegeben haben. Und es dann aber auch konsumiert haben. Ich glaube es ist für jeden Platz und gerade gute und wertvolle Inhalte sind Konsumenten das Geld wert. Genauso wie eine gute Nutzererfahrung. Wenn es mir einfach gemacht wird die Plattform eines Publishers zu nutzen, werde ich eher dorthin gehen anstatt woanders. Wenn es mir sinnvoll angeboten wird Inhalte zu kaufen, und diese auf meine Nutzung, mein Verhalten und meine Vorlieben personalisiert sind, werde ich mich eher für ein Bezahlprodukt entscheiden. Eigentlich einleuchtend, aber für den Publisher nicht trivial umzusetzen oftmals. Dabei gibt es schon ein paar sehr einfache Dinge, die man tun kann. Wie zum Beispiel Push-Notification „Feeds“. Das nenne ich jetzt mal so, es ist im Endeffekt die Möglichkeit einem User ein bestimmtes Thema z.B. Corona-Virus anzubieten per Push-Notification und ihm direkt auf der Push-Nachricht zwei Buttons anzubieten, ob er zu diesem Thema weitere Nachrichten erhalten möchte oder lieber nicht. Damit kann sich der User zu seinen Präferenzen äußern und es entsteht ein Dialog. Auch Preference Center erfüllen diese Aufgabe super. Da tickt man einfach die Boxen für die Themenbereiche die einen interessieren. Beides super Möglichkeiten um den User auch zu einer Authentifizierung zu bewegen.

4) Oder gewinnen einfach nur wieder die großen Plattformen?

Ich bin überzeugt, es gewinnen die Plattformen, die innovativ sind und Spass machen. Dafür haben die großen sicherlich mehr Budget, aber das muss noch lange nicht heißen, dass sie es besser machen.

5) Wie sind eure Erfahrungen mit dem Einzelverkauf von Publisher Produkten? Einzelne Artikel zu verkaufen scheint im Markt überhaupt nicht zu funktionieren, oder?

Ich glaube das wird unterschätzt. Ich zahle 2.90 EUR für ein ÖPNV Ticket mit meinem Smartphone. Es geht sofort per Paypal von meiner Kreditkarte ab. Was ist da der große Unterschied? Es muss nur leicht gemacht werden. Wenn ich a) verstehe, warum ich diesen Artikel nicht umsonst lesen kann, sondern einen Mikrobetrag dafür zahlen soll, dann habe ich sicher mehr Einsicht und kaufe ihn auch und wenn ich b) durch eine intelligente Nutzerführung nach und nach an so einen ersten Kauf herangeführt werde,…dann steigere ich als Publisher auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einem Kauf zustimmt. Ich glaube daran, dass das Modell besonders im mobilen Bereich funktionieren kann. Jeder Nutzer folgt einem Lebenszyklus mit einer Marke, die erste Phase ist die Akquisitionsphase. Hier wird der Kunde aufgenommen und in die Plattform eingeführt. Er bekommt Informationen zur Handhabung, zu Personalisierung, Authentifizierung und so weiter, er bekommt immer wieder Nachrichten von der Website oder der App um ihn dazu zu bringen mit der Plattform Zeit zu verbringen. Immer etwas mehr. Die Retentionrate von App Usern ist 190% höher wenn User in den ersten 90 Tagen 1 oder mehrere Push Nachrichten erhalten. Das ist auch logisch, ich vergesse so eine App, wenn sie mich nicht an sich erinnert. Und wie baue ich eine Gewohnheit auf? Indem ich den Nutzer am Anfang erstmal ganz viel daran erinnere, bis er sich selbst erinnert. Die zweite Phase ist die Conversion-Phase und hier kann ich aus einem Nutzer, der sich mit meiner App regelmäßig beschäftigt auch weiter in die Tiefe gehen und ihm auch mal einen Artikel anbieten, der eine Transaktion erfordert, vielleicht schaffe ich noch andere Anreize um eine Transaktion zu favorisieren. Zum Beispiel die Möglichkeit, nach 10 gekauften Artikeln, den 11. kostenlos lesen zu dürfen. Die Möglichkeiten der Bezahlung sind heute in der Lage das alles abzubilden. Und wenn es einfach ist und ich als Kunde merke, wie nutzerfreundlich und unkompliziert das funktioniert, dann komme ich auch wieder. Und schon befindet sich der Nutzer in der 3. und letzten Phase, der Wachstums-Phase. Hier kann man ihn dann dazu bringen gewisse Transaktionen zu wiederholen oder eine positive Bewertung abzugeben oder ähnliches. Man nutzt den glücklichen Nutzer und baut ihn aus.

6) Welche Rolle spielt Geschwindigkeit und der Einsatz von Technologie? Bei den Newspublishern will naturgemäß jeder der Erste sein aber sonst?

Für unsere Medienkunden ist Geschwindigkeit das schlagende Argument. Gerade auf der dem Smartphone muss die Mitteilung über eine Breaking News innerhalb von Millisekunden beim Nutzer sein. Hier kamen Kunden zu uns, deren Breaking News teilweise Stunden brauchten um ausgeliefert zu werden. Das geht gar nicht. Airship ist da der Vorreiter auf dem Markt, wir verschicken 500 000 Push Nachrichten pro Sekunde und für spezielle Kunden, z.B. die aus dem Medienumfeld können wir das sogar noch steigern. Hier ist Zeit einfach Geld. Der Anbieter, der mir die wichtige News als erstes schickt, ist der bei dem ich sie lese. Auf Dauer baut das Vertrauen auf: ich weiß, die sind schnell, dort bekomme ich sofort die Infos zum Thema. Ein Publisher, der das nicht schafft verliert den Traffic und auch das Ansehen. Daher ist das ein absolut wichtiger Punkt besonders für diesen Sektor. Aber auch für andere Geschäftsmodelle ist Geschwindigkeit und Realtime wichtig, z.B. bei Geo-Fencing, es nützt meinem Konsumenten nicht, wenn er den Coupon erst beim Verlassen des POS erhält. Mobile lebt von real time Daten, der Konsument erwartet diese Gegenwärtigkeit der Marken auf dem mobilen Gerät und das ist der Anspruch den man als Anbieter erfüllen muss. Auch was die Kommunikation der verschiedenen Datenquellen im Hintergrund angeht. Es ist heute möglich Daten in realtime zwischen Datenplattformen auszutauschen, damit ich dem Kunden, der gerade einen Warenkorb auf dem Desktop abgebrochen hat, eine Push auf sein Handy schicken kann, mit einer Erinnerung an die vergessenen Produkte. Das ist state of the art, da sollte man sich nichts anderes erzählen lassen.

7) Auch das Thema Multikanal hört man im Zusammenhang mit Airship häufiger. Welche Daten könnt ihr für welche Kanäle zur Verfügung stellen?

Das kommt ganz darauf an, welche Opt-Ins man von den Konsumenten bekommt. Und das hängt davon ab, wie gut die mobile Messaging Strategie ist. Da das aber unser Steckenpferd ist, helfen wir unseren Kunden generell dabei sich da erfolgreich aufzustellen. Ob Behavioral Data, wie meistbenutzter Kanal, bester Sendezeitpunkt, oder Geo-location Daten, aber auch inhaltliche Präferenzen, die der User im Laufe der Zeit angibt, dadurch, dass er zum Beispiel sein Preference Center ausfüllt oder bestimmte Themen abonniert oder einfach immer wieder auf bestimmte Inhalte klickt. Gleichzeitig erhält man Informationen über das übliche Nutzungsverhalten, sodass unsere KI auch sofort erkennt, wenn es hier eine Veränderung gibt und der User zum Beispiel kurz davor ist inaktiv zu werden, weil er nur noch sehr sporadisch in die App kommt. Das ist noch lange nicht alles, was wir an Daten sammeln können, ebenso wichtig wie die Daten selbst ist allerdings auch die Demokratisierung dieser Daten über alle Plattformen. Was nutzen mir all diese Daten, plus der Daten aus meinem ERP oder CRM, wenn ich sie nicht konsolidiere und dann in Echtzeit nutze?

8) Welchen Impact hat das ggfs. für das Zusammenspiel von mobiler Website, dem Podcast und dem Printmagazin eines Publishers?

Wenn ich als Publisher meine Datenquellen in Echtzeit konsolidiere, kann ich einem Nutzer ganz einfach eine wesentlich bessere Erfahrung bieten. Ich kann quasi im Moment mit ihm kommunizieren und ihm neue Inhalte passend zu denen anbieten, für die er sich gerade interessiert. Ich kann ihn auf Zusatzinhalte aufmerksam machen und erkennen, welchen Kanal ich gerade für die Nachricht nutzen sollten, da der Nutzer sich dort gerade aufhält. Was das mit der Conversion macht, kann sich denke ich jetzt jeder denken.

9) Kann man anhand von Beispielen beziffern, wie sich der Einsatz eurer Technologie rechnet? In Zeiten begrenzter Budgets…

Ein paar Benchmarks der Medienunternehmen, die mit uns arbeiten sind:

Erhöhung der 1-, 7-, 30-, and 90-Tage retention rates um 15%
Erhöhung der pro User monatlich in der App verbrachten Minuten um 15%
Erhöhung der durchschnittlichen Pageviews pro Session um 15%
Erhöhung der täglich aktiven User (DAUs) um 10%
Erhöhung der Zahl der Social Shares um 20%
Erhöhung der Zahl der Conversions in paid subscriber um 20%

10) Aus gegebenen Anlass: Was glaubst du, wie sich die Corona Krise auf die Publisher Landschaft auswirken wird? Nachrichten werden vermehrt konsumiert, Trafficzahlen steigen aber Werbebudgets werden heruntergefahren…

Ich glaube die Corona-Krise bringt die Notwendigkeit hervor noch mehr Nähe zu seinen Kunden aufzubauen. Viele unserer Marken merken gerade, dass das Smartphone als steter Begleiter nun noch wichtiger geworden ist, weil die Menschen dieses Gerät einfach als erste Bezugsquelle für Informationen und Nachrichten von ihren Brands nutzen. Auch Medienbrands. Für Publisher sinken die Werbebudgets, für andere Sektoren sinken die Einnahmen wegen geschlossener Läden oder weniger Bestellungen. Was wir trotzdem sehen ist, dass unsere Plattform noch nie einen höheren Stand der Auslastung erfahren hat. Unsere Kunden nutzen unsere Services intensivst um mit ihren Nutzern zu interagieren. Jeder nutzt diese Zeit um an seinen Kundenbeziehungen zu arbeiten und das funktioniert nunmal vor allem über relevante Kommunikation.