Hallo Matthias, vielen Dank, dass du uns heute für ein Interview zur Verfügung stehst! Mit transfermarkt.de betreibst du eines der erfolgreichsten Portale zum Thema Fußball. Obwohl euch also sicher schon die Meisten unserer Leser kennen, magst du dich und dein Unternehmen einmal kurz vorstellen?

Transfermarkt ist wohl die weltweit größte öffentliche Fußballdatenbank und ein von Fachleuten und –presse anerkanntes und genutztes Fußballmedium. Transfermarkt ist aber auch ein Fußballportal von Fans für Fans. Das sieht man schon daran, dass ein Großteil der Datenbank von den Usern gepflegt wird. Man kann das ein bisschen mit Wikipedia vergleichen. Aber neben der Datenbank haben wir auch einen hervorragenden Newsbereich und eben eine unglaubliche Community, die für den User Generated Content verantwortlich ist. .

Matthias Seidel – Transfermarkt

2. Mit transfermarkt.de gehört ihr zu den Top3 der deutschen Fußballportale, allerdings seid ihr der einzige reine Digital Player. Siehst du das eher als Vorteil oder glaubst du, dass euch dadurch Synergiepotential verloren geht?

Ich würde sogar sagen, dass wir mindestens die Nummer zwei der Fußballportale sind, weil Sport1 abgesehen vom Fußball ja auch viele andere Sportarten abdeckt. Ich glaube, als ich Transfermarkt im Jahr 2000 gegründet habe, gab es gar nicht die Ambition noch ein weiteres Printmedium herauszubringen und das hätte mit Sicherheit auch nicht funktioniert. Transfermarkt ist einfach nur online möglich.

3. Mit dem Thema Fußball versuchen im Prinzip ja alle Medienhäuser Reichweite zu generieren, egal ob Print, TV oder Digital und egal ob kleiner oder großer Player. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit ist also sehr intensiv. Wie habt ihr es geschafft, euch in diesem Umfeld durchzusetzen? Und können daraus Learnings auch unabhängig vom Umfeld Fußball gezogen werden?

Durch Leidenschaft und Hingabe haben wir es geschafft. Ich wurde schon häufig gefragt, ob ich der Meinung bin, dass ein Portal wie unseres auch in anderen Sportarten funktionieren würde. Ich glaube, dass es nur funktioniert, wenn man diese Leute findet, die mit so viel Leidenschaft und Herzblut an die Sache herangehen und hier sind sowohl die Mitarbeiter als auch unsere User gemeint. Da der Fußball wie kein anderer Sport die Massen begeistert, würde die Realisierung eines solchen Projekts in anderen Bereichen wahrscheinlich deutlich schwieriger werden. Aus unternehmerischer Sicht war es sicherlich hilfreich, dass wir diese typischen Start-Up-Prinzipien ausgelebt haben, also mit dem MFP – dem minimal funktionsfähigen Produkt an den Start gegangen sind. Heute wäre es wahrscheinlich gar nicht mehr möglich dies zu kopieren. Es war einfach die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt.

4. Die Vermarktung von User Generated Content galt aufgrund geringer Produktionskosten sehr lange als eine der erfolgversprechendsten Ertragssäulen im Digital Publishing. Basis dafür ist allerdings die sehr hohe Qualität des Contents. Wie stellt ihr bei Transfermarkt diese hohe Qualität sicher?

Bei über 550.000 Spieler in der Datenbank ist natürlich die Qualitätssicherung ein großes Thema. Aber auch dieses Thema lösen wir mit der Unterstützung unserer vielen User und Datenpfleger. Unsere Aufgabe in Hamburg ist im Grunde, dafür zu sorgen, dass wir die richtigen „Werkzeuge“ zur Verfügung stellen, so gibt es zum Beispiel eine automatische Wiedervorlage von Spieler-Profilen oder regelmäßige Routineabfragen, die Unstimmigkeiten in der Datenbank erkennen. Und zuletzt haben wir – und das ist unsere beste Qualitätssicherung – immer das Vier-Augen-Prinzip bei den Korrekturprozessen. Und die besten Experten sind auch hier unsere Fußballfans.

5. Wie siehst du eure Wettbewerbssituation insbesondere in der ganz jungen Zielgruppe? Sind Instagram und Snapchat echte Wettbewerber für euch, weil die Kids ihren Stars lieber direkt folgen?

Insgesamt steht das Portal auf drei Säulen. Zum einen sind das die News, in denen wir vollumfänglich über das tägliche Geschehen im Fußball berichten. Hier versuchen wir natürlich auch die angesprochene Zielgruppe abzuholen, indem wir zusätzlich zu Facebook und Twitter auch bei Instagram und Snapchat verschiedene Dinge ausprobieren. Die zweite Säule ist unsere Datenbank, die grundsätzlich davon lebt, dass sie aufgerufen wird, weil sich jemand beispielsweise über einen bestimmten Spieler informieren will. Dafür müssen wir die Leute nicht extra abholen. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass wir in den einschlägigen Medien gut vertreten sind, wir also ein gutes Ranking bei Google haben. Unsere dritte Säule sind die User-Foren. Da ist es bei uns natürlich eine Besonderheit, dass die Foren qualitativ sehr hochwertig sind und ein Teil der ganz jungen Zielgruppe gar nicht mehr so lese- und schreibaffin ist und sich in diesem Bereich nicht wirklich angesprochen fühlt. Für uns bedeutet das aber nicht, dass wir deswegen Transfermarkt neu erfinden müssen. Das Ziel ist einfach, unsere jetzige Zielgruppe dort bestmöglich zu bedienen.

6. Allgemein wirft man dem Sportjournalismus ja häufig vor, eher Hofberichterstattung zu betreiben als echten Journalismus. Wie siehst du die Thematik und glaubst du, dass ernsthafter Journalismus hilft, nachhaltig funktionierende Publishermarken auch digital aufzubauen?

Es ist schon so, dass die richtig großen, investigativen Geschichten meist nicht unbedingt aus dem Sportjournalismus selbst kommen. Wenn es zum Beispiel bei der FIFA oder teilweise bei Vereinen Skandale gibt, dann stammen die Berichte meist eher aus dem Nachrichtenjournalismus. Diesen Vorwurf muss sich der klassische Sportjournalist schon gefallen lassen. Auf der anderen Seite ist das, worüber er berichtet, natürlich auch Entertainment und er ist somit auch Teil eines gesamten Systems. Die Frage ist ja, wie man eine Publishermarke definiert? Wenn hierzu auch die großen Youtube-Kanäle der Influencer gehören, dann funktionieren diese Marken auch ohne ernsthaften Journalismus. Transfermarkt würde auch ohne Journalismus funktionieren – halt nur nicht so gut. Aber ich bin mir auch sicher, dass guter, ernsthafter Journalismus immer noch ein sehr gutes Werkzeug für nachhaltige Medienmarken ist.

7. Alle reden über Digitalisierung. Trotzdem ist man in vielen Verlagen immer noch der Meinung, man könne im Internet kein Geld verdienen. Was antwortest du diesen Verlagsmanagern?

Natürlich ist es so, dass man im Print in einigen Bereichen noch immer besseres Geld verdient als im Internet. Aber das man im Netz kein Geld verdienen kann, halte ich grundsätzlich für falsch. Es ist einfach wichtig, die richtigen Wege zu gehen.

8. Wo siehst du für euch noch Wachstumsfelder? Es gibt ja zum Beispiel Verlage, die in eCommerce investieren. Wäre das auch etwas für euch? Zum Beispiel der Verkauf von Club- bzw. Nationalmannschaftstrikots? Oder die Ausstattung von Hobbymannschaften?

Die Wachstumschancen von Transfermarkt liegen natürlich eindeutig sowohl in der Quantität als auch in der Qualität unserer Datenbank. Das gilt sowohl national als auch international. Große Wachstumschancen gibt es auch weiterhin durch das Eröffnen neuer Websites im Ausland, wie wir es bereits in vielen Ländern getan haben. Zudem bewegen wir uns auch im Bereich des eGaming, welches sich bei jungen Leuten großer Beliebtheit erfreut. Hier ist es wichtig, die Spieler von Fußballmanager-Spielen im Internet mit Daten von Transfermarkt zu bedienen. Ich kann mir schon auch vorstellen, dass es einen gewissen Markt für eCommerce geben wird. Doch das Hauptaugenmerk wird immer darauf liegen, ein großes und nach Möglichkeit werbefinanziertes Portal zu betreiben.

9. Arbeiten bei euch nur Hardcore Fußballfans, die auch noch digitale Kompetenz mitbringen? Das Thema Fußball hilft euch sicherlich auch sehr beim Recruiting, oder?

Bis auf einen unserer Systemadministratoren arbeiten hier tatsächlich nur große Fußballfans. Es ist natürlich so, dass unser Thema schon in gewissem Maße beim Recruiting hilft, weil es dadurch viele Initiativ-Bewerbungen von Leuten gibt, die Lust haben bei einem großen Fußball-Portal zu arbeiten. Allerdings kann es auch zu Schwierigkeiten kommen. Wenn man zum Beispiel auf der Suche nach einem Web-Entwickler ist, dann braucht auch dieser eine Leidenschaft für Fußball. Und diese Kombination, Web-Entwickler mit Fußball-Leidenschaft, ist nicht so einfach zu finden.

10. Was glaubst du, wie sich der Markt weiterentwickeln wird? Werden die Grenzen zwischen Text-, Video- und Audio Publishing verschwimmen?

Ich glaube, dass es in Zukunft nicht mehr drauf ankommen wird, ob die Inhalte in Audio- Video- oder Textformat veröffentlicht werden, weil man sich zum Beispiel einen Text bald auch einfach vorlesen lassen kann oder man sich bei einer Audio-TV Übertragung nur noch die Tore in der Wiederholung anschaut. Es wird bald nur noch davon abhängen, wo man gerade ist, um dann zu entscheiden, wie man die Informationen „konsumiert“.

Lieber Matthias, vielen Dank für das Interview!