Lieber Pit, vielen Dank, dass du uns heute für ein Gespräch zu Verfügung stehst. Viele unserer Leser kennen dich als einen der deutschen Top Sportjournalisten, aber magst du dich selbst mal in ein paar Sätzen vorstellen? Wer bist du und was machst du?
Journalist bin ich seit Teenager-Zeiten. Zuerst bei den Aachener Nachrichten in der Eifel, später auf meiner Rundreise durch Deutschland. AZ In München. Welt und Welt am Sonntag in Berlin. Sport-Bild in Hamburg. Und jetzt bei Funke Medien in Essen. Zwischendurch war ich Büroleiter von Herrn Döpfner bei Axel Springer.

2.  Sportjournalismus gilt als hochemotional und sexy. Aber kann man damit heute noch gutes Geld verdienen? Von außen betrachtet scheint der Wettbewerb brutal hart geworden zu sein.
Brutal – das würde ich nicht sagen. Eher: vielschichtig und intensiv. Beim Fußball mitreden konnte ja schon immer jeder. Jetzt kann auch jeder mitpublizieren. Was guten Sportjournalismus ausmacht, sind drei Dinge: Zugang zu exklusiven Informationen, Einordnung der Geschehnisse und die Kraft der Sprache. In dieser Kombination trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer’s beherrscht, ist sexy. Dummerweise ist unsere Branche noch immer zu männerlastig.
 
3. Wie sehr muss man als Journalist heute in wirtschaftlichen Kategorien denken? Förderst du diese Denkweise in deinem Team? Oder ist es eher so, dass die gute Story absolut im Vordergrund steht und der wirtschaftliche Erfolg dann fast schon automatisch kommt? So nach dem Motto: die Story bringt die Reichweite und die Reichweite bringt den Umsatz…
Was Sportjournalismus ausmacht, ist das breite Wissen, das der Beruf voraussetzt. Sportjournalisten müssen sich nicht nur im Sport kennen, sondern auch eine leise Ahnung von Finanzen, Medizin und Juristischem haben. Dazu eine hohe Sozialkompetenz. Auf diesem Fundament des Fachwissens treffen wir journalistische Entscheidungen. Und wie jeder gute Journalist weiß: Die Wirkung der Story, Reichweite und Umsatz, darf nicht das Leitmotiv sein, sondern allenfalls ein Nebenaspekt. Im Sinne von: Was unsere Leser interessiert. Das Geldmachen überlassen wir Kaufleuten. Dass wir deren Arbeit verfolgen, partnerschaftlicher arbeiten, schließt das natürlich nicht aus. Wir wissen schon, wie es um die Branche steht.

4. Große Sportereignisse wie die Fußball WM oder Olympia sind für Medienhäuser natürlich absolute Hochphasen, was die Berichterstattung angeht. Kannst du unseren Lesern ein Gefühl dafür geben, wie groß der wirtschaftliche Einfluss dieser Ereignisse ist? Gibt es in diesen Zeiten echte Umsatzsprünge?
Bei Großereignissen sind die Werbetöpfe prall gefüllt. Redaktionelle Sonderprodukte wie Sonderbeilagen und Sonderhefte sind deshalb wirtschaftlich ein großer Erfolg und, nicht zu vergessen, sehr beliebt bei den Lesern. Werbetreibende, Medienhäuser, Redaktionen: Alle Stakeholder wollen dabei sein, wenn es kein anderes Thema im Sommer gibt. Insofern sind Großereignisse ein Geschäft. Tageszeitungen erweitern ihren Umfang im Sportteil, um das Wachstum an Storys und Werbeumfeldern zu bewältigen. Wer in diesem Wettbewerb bestehen will, muss kreativ werden. Hier komme ich ins Spiel: Exklusivität, Storytelling, neue Formatangebote wie Bewegtbilder – bei Funke Sport müssen wir passgenau liefern, um diese Bedürfnisse im Leser- wie im Werbemarkt zu befriedigen. Das wird jedes Mal turbulenter.
 
5. Die Produktion von Content ist in Medienhäusern einer, wenn nicht der entscheidende Kostenfaktor. Verlage versuchen oft, Synergien aus der Produktion von Content für die unterschiedlichen Kanäle ziehen, zum Beispiel Print und Online. Funktioniert das deiner Erfahrung nach?
Wer heute noch in der Content-Produktion, also in der Redaktion, diese Zweiteilung zwischen Print und Online bestehen hat, macht definitiv etwas falsch. Das ist Verschwendung von Geld und Qualität. Bei Funke Sport haben wir unter meiner Leitung konsequent das Schibsted-Modell umgesetzt, das erstens eine Unterscheidung zwischen Kreation und Produktion sowie zweitens im Workflow eine Gewichtung auf die Produktionszyklen der einzelnen Kanäle vorsieht. Der Kollege, der früher der Onliner genannt wurde, ist heute der Nachrichtenchef. Den Begriff Onliner gibt es bei mir nicht mehr. Und ja, das funktioniert. Es spart Geld und, das ist das Verrückte, erhöht die Qualität der Texte.

6. Über Social Media haben Sportvereine die Möglichkeit, direkt mit ihren Fans zu kommunizieren. Nahezu jeder Bundesligaverein tut dies in großem Ausmaße. Welchen Einfluss hat das auf kritischen Sportjournalismus? Haben sich die Abhängigkeiten im Verhältnis Medien zu Verein stark verschoben? Bekommt ihr noch die Möglichkeit, den Sportlern kritische Fragen zu stellen?
Das ist ein wirkliches Problem, das Sie ansprechen. Ich sage es mal so: Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Leser und Fans noch immer unabhängigen Journalismus zu schätzen wissen und dafür am Ende des Tages bezahlen. Aber: Die Vereine kappen uns schleichend den Zugang zu den Protagonisten. So ein Spieler zum Beispiel hat nur begrenzt Zeit. Wenn er von ursprünglich 60 Minuten Medienzeit eine halbe Stunde bei den vereinsinternen Kollegen verbringt, bleibt uns nur noch die andere halbe Stunde. Man kann es in der Mixed Zone beobachten. Die vom Verein fragen am Gitter zuerst. Mit jeder Minute dort verflachen Lust und Exklusivität beim Spieler.

7. Gerade Google und Facebook übernehmen die Funktion eines Gatekeepers und kontrollieren quasi den Zugang zum Konsumenten von Nachrichten. Wie geht ihr im Hause Funke damit um? Und wie ist deine persönliche Meinung zum Zusammenspiel von Medienhäusern und den großen Social Media Plattformen?
Die zwei sind keine Gatekeeper. Wenn man als Redaktion gut ist, findet man immer seine Leser. Was ich damit sagen will: Ein Medienhaus, das sich allein auf DPA und Lokalsport verlässt und nicht auch dem überregionalen Sport Qualität einräumt, verschlechtert offensichtlich sein Produkt. Die großen Medienhäuser in Deutschland haben das aber begriffen. Wir bei Funke, Madsack in Hannover oder auch Axel Springer zentralisieren die Sportaktivitäten, um die Qualität zu steigern und einen USP anzubieten. Alles andere als eine Qualitätssteigerung wäre publizistischer Selbstmord.

8. Die Welt dreht sich immer schneller und das  sich verändernde Mediennutzungsverhalten führt permanent zu anderen Anforderungen im Journalismus. Wie schaffst du es, dich selbst und dein Team immer up to date zu halten? Was sagst du Kollegen, die nicht bei Facebook und Twitter unterwegs sein möchten?
Gottseidank arbeite ich in einem Haus, das seinen Mitarbeitern das notwendige Wissen über die Veränderungen im digitalen Zeitalter vermittelt. Funke Digital zum Beispiel kam mit zwei Kolleginnen in meine Sportredaktion, um uns ein paar Kniffe für Facebook und Instagram zu zeigen. Sportreporter, die nicht bei Facebook oder Twitter sind, habe ich nicht. Ich habe direkt an meinem allerersten Arbeitstag in Essen gesagt: Wer nicht bei Twitter ist, nehme ich als Sportjournalisten nicht ernst.
 
9. Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Herausforderungen, vor denen die Macher eines Sportmagazins heute stehen?
Wie früher auch schon: die Themensetzung. Um die geht es immer und wird es immer gehen. Alles andere ist wahlweise Marketing oder Technik.

10. Das Medienhaus der Zukunft in drei Worten ist…?
…sportlich. Nicht nur im Sportteil.