Liebe Ulrike, liebe Lisa, es freut uns, dass ihr der PBC ein Interview gebt. Vielen ist die Hamburg Media School bestimmt ein Begriff. Könnt ihr euch beide und euren Aufgabenbereich dennoch einmal vorstellen? 

Ulrike: Ich leite den Bereich der Weiterbildung und bin dafür zuständig, dass wir an der HMS immer wieder neue und spannende Seminare für bereits Berufstätige anbieten. Hierbei liegt aktuell unser Fokus auf Online Marketing und der Digitalisierung.
Lisa: An der HMS leite ich den Forschungsbereich Brand & Consumer sowie das NeuroLab und führe Studien mit Praxispartnern und einem internationalen Forschernetzwerk durch. Uns beschäftigen aktuelle Fragen zu Engagementprozessen von Konsumenten in der neuen Medienrealität.

Ulrike Dobelstein-Lüthe – Leiterin Weiterbildung Hamburg Media School

2. Digitalisierung in Medienhäusern ist ein großes Thema. Könnt ihr die Nachfrage mit euren Weiterbildungsmöglichkeiten überhaupt bedienen oder werdet ihr überrannt? In welchen Größenordnungen bewegen wir uns hier?

Ulrike: Im Moment bemerken wir einen großen Zulauf. Aber nicht nur aus Medienhäusern, sondern auch aus anderen Branchen. Kein Unternehmen kommt mehr an dem Thema vorbei und man muss sich hier immer wieder auf den neuesten Stand bringen. Im Durchschnitt bieten wir pro Woche ein Seminar an und sind meist deutlich im Voraus schon dafür ausgebucht.
Lisa: Es ist ein extrem großes Thema und für Medien- und Markenforscher ergeben sich durch die Digitalisierung ständig neue Fragestellungen. Unternehmen aus allen Branchen haben einen deutlich steigenden Wissensbedarf; sie interessiert zum Beispiel, wie und wofür Konsumenten Medien heutzutage verwenden und welche Stellschrauben in der Kommunikationsstrategie überhaupt noch funktionieren, um Nutzer zu erreichen und zu fesseln.

3. In welchen Kursbereichen ist die Nachfrage am größten? Gibt es hierfür eine Erklärung?

Ulrike: Im Bereich Online Marketing ist die Nachfrage sehr groß. Die Unternehmen müssen sich zum Teil noch umstellen oder brauchen regelmäßig ein Update, was sich auf dem Markt verändert hat. Die Tools sind ständig in Bewegung und man muss sich immer wieder neu damit beschäftigen. Bei uns können sich die Seminarteilnehmer dann auf den neusten Stand bringen. Wir freuen uns, dass viele Teilnehmer Wiederholungstäter sind und immer wieder bei uns buchen.
Lisa: Im Bereich der Marken- und Medienforschung kommen häufig und aus allen Unternehmensbereichen die Fragen, wie digitale Medien wirken und wie ein multimediales Zusammenspiel mit traditionellen Medien im Konsumentenalltag funktionieren kann.

4. Man munkelt ja, dass Gruner + Jahr ein großer Kunde von euch ist. Welche anderen Kunden stehen denn auf eurer Referenzliste? Neben Verlagen auch Ad-Tech Unternehmen und Konsumgüterhersteller und Start-Ups? Wie schafft ihr es, euer Bildungsangebot an das in den jeweiligen Branchen/Unternehmen stark unterschiedliche Vorwissen anzupassen?

Ulrike: Wir schauen uns vorher immer genau die Teilnehmerliste an und besprechen uns mit den Dozenten, welche Firmen und Positionen in den Seminaren vertreten sind. Zudem gibt es bei vielen Kursen eine vorherige Teilnehmerbefragung oder am Ende eine Feedbackrunde. Erst dann gehen wir in die Detailplanung für die Inhalte und den Ablauf der Seminare oder schauen, was wir bei der nächsten Runde besser machen könnten.
Lisa: Zu unseren Forschungspartnern gehören neben den großen Verlagen und digitalen Unternehmen auch Markenartikler sowie Verbände. Hilfreich ist unser internationales und interdisziplinäres Forschernetzwerk. Für jedes Forschungsprojekt stellen wir ein auf die Fragestellung individuell abgestimmtes Team zusammen. Zudem ergeben sich durch meine Tätigkeit als Forscherin an der University of Florida Vorteile für unsere Praxispartner, da gerade im Bereich digitaler Medien viele Trends aus den USA stammen.

5. Als Hochschule seid ihr ja selbst kein Digitalunternehmen und holt euch digitale Kompetenz von außen dazu. Wie schafft ihr es, die Qualität der Kurse dennoch hoch zu halten? Müssen sich eure Referenten einem harten Auswahlverfahren stellen?

Ulrike: Für die Weiterbildung bin ich selbst sehr viel unterwegs und schaue mir bei Veranstaltungen Referenten an. Zum Teil gehe ich sogar nur zu den Veranstaltungen, um Speaker kennenzulernen und um zu schauen, ob jemand zu uns passen könnten. Außerdem habe ich über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut, aus dem viele Dozenten stammen. Für den Bereich Online Marketing haben wir zudem mit Philipp Westermeyer einen Kurator, der viele Referenten kennt und diese mit in unsere Kurse bringt. Generell gilt aber, dass ich mir vorher alle anschaue und entscheide, wer bei uns unterrichtet. Und am Ende von Seminaren evaluieren wir unsere Referenten selbstverständlich.

Dr. Lisa-Charlotte Wolter – Leiterin Brand & Consumer Research/NeuroLab

6. Häufig wird Universitäten und Hochschulen vorgeworfen, nicht praxisnah zu agieren. Unterscheidet ihr euch hier von anderen Bildungseinrichtungen? Wenn ja, wie äußert sich das?

Lisa: Passend zur HMS DNA positionieren wir uns auch mit der Forschung zwischen den teilweise sehr praxisfernen Hochschulen und häufig weniger forschungsaffinen Privathochschulen. Das äußert sich darin, dass wir sehr agile Strukturen in den Forschungsteams aufweisen und schnell auf aktuelle Fragestellungen und Entwicklungen in der Branche reagieren können.

7. Wie du ja bereits erwähnt hast, sind Kooperationen mit Unternehmen ein großes Thema für euch. Wissenschaft meets Praxis sozusagen. Gerade erst konntet ihr auf diesem Wege die Advertising Acceptance Studie mit AdBlock Usern realisieren. Die Ergebnisse dürften für die Publisher hochinteressant sein. Wie unterscheiden sich denn AdBlock User und Nicht-User? Was bedeutet das eurer Meinung nach für die Vermarktungsbranche?

Lisa: In den bisherigen Analysen konnten wir feststellen, dass sich diese beiden Nutzergruppen hinsichtlich ihrer Einstellung gegenüber Werbung – gemessen über den wahrgenommenen Wert sowie empfundene Nachteile von Online Werbung – nicht besonders stark unterscheiden. Werbevermeidungstendenzen der Nutzer haben wir in der Studie dreidimensional ermittelt (cognitive, affective, behavioral) und zudem eine Reihe an demographischen und medienspezifischen Daten erhoben, um weitere Unterschiede zu beleuchten. Die finalen Ergebnisse werden wir auf der Publisher Business Conference vorstellen.

8. Gibt es weitere Kooperationen mit namhaften Unternehmen? Magst du hier auch einmal an konkreten Beispielen erläutern, wie Unternehmen die Ergebnisse hands-on verwenden können?

Lisa: Unternehmenspartner schätzen u.a unseren intensiven Entwicklungsprozess passgenauer Studiendesigns. Die Probleme der digitalen Wirtschaft sind oftmals derart neuartig, dass eine Eins-zu-Eins-Anwendung von Studiendesigns aus der Schublade nicht passt. Zudem liefern wir mit unseren Studien und Methoden oftmals Denkanstöße und Grundlagen zu herausfordernden Fragestellungen, die im Alltagsgeschäft nicht tiefgehend genug behandelt werden können.

9. Da ihr ja zum Teil privatwirtschaftlich agiert, betreibt ihr sicherlich auch Online Marketing für eure eigenen Produkte. Wie gewinnt ihr das dafür notwendige, aber auf dem Arbeitsmarkt heißbegehrte Personal für euch?

Ulrike: Auch hier spielt ein großes und aktives Netzwerk eine wichtige Rolle. Ich schreibe kaum Stellen aus, sondern schaue, wen ich kenne oder wer mir empfohlen wird.

10. Ihr arbeitet eng mit vielen Publishern zusammen, habt aber trotzdem immer noch den Blick von außen auf deren Geschäft. Was sind eurer Meinung nach die 5 größten Themen für Publisher? Welche davon sollten die Publisher eigentlich schon gestern angegangen sein? 

Lisa:
1. Multimediale Vergleichbarkeit von Planungs- und Erfolgskennzahlen schaffen
2. Metriken zur Qualitätsmessung von Werbeumfeldern weiterentwickeln
3. Die Effekte von Medienqualität auf Marketingziele untersuchen
4. Online und Offline Nutzerverhalten besser verstehen und Werbekunden Wege für das Zusammenspiel aufzeigen
5. Fundiertes Wissen über die Wirksamkeit und die Erfolgsfaktoren von Content Marketing sowie von neuen Kommunikationsformen aufbauen

Vielen Dank! Wir sehen uns bei der Publisher Business Conference.