Lieber Herr Senator Brosda, vielen Dank, dass Sie uns heute für unseren Publisher Talk zur Verfügung stehen! In unserer Stadt Hamburg kennt man Sie aber wir werden ja auch über die Grenzen der Hansestadt hinaus gelesen. Mögen Sie kurz sagen, wer sie sind und was Sie machen?

Als Senator für Kultur und Medien bin ich zuständig für alle Bereiche der Medien-, Kultur- und Kreativwirtschaft. Ich setze mich für die Belange der vielen Künstlerinnen und Künstler und Kreativen ein, die Hamburg als Kultur- und Medienstadt vielfältig und attraktiv machen. Ziel ist es, dass Kultur und Medien hier ein Umfeld vorfinden, in dem sie sich gut weiterentwickeln können. Es braucht einen stetigen Austausch mit den unterschiedlichsten Akteuren, um gemeinsam gute Ideen umzusetzen. 

2) In Ihrem Titel kommt das KULTUR vor den MEDIEN. Der teure Kulturbetrieb ist in unserer Stadt also wichtiger als die wirtschaftsorientierte und damit steuerzahlende Medienwirtschaft? 😉 

Natürlich nicht. Das impliziert keine Rangfolge. Als ehemaliger Journalist bin ich den Medien leidenschaftlich verbunden und fühle mich ihnen verpflichtet. Mit meinem Amtsantritt wechselte das zuständige Amt Medien, das ich zuvor geleitet hatte, aus der Senatskanzlei in die Kulturbehörde. Die Behörde trägt seitdem die Medien wieder im Titel. Thematische Berührungspunkte gab es schon vorher, zumal wir in Hamburg zum Glück die Kreativwirtschaft schon immer als Teil der Kultur gesehen haben. 

3) Die vorangegangene Frage war natürlich nicht ganz ernst gemeint. Aber mal Hand aufs Herz, wie wichtig ist die private Medienwirtschaft noch für eine Stadt wie Hamburg? Privates TV gibt es hier schon länger nicht mehr, die Musikindustrie ist de facto weggeschrumpft, die Verlagshäuser befinden sich in einem teilweise schmerzhaftem Transformationsprozess und Google, Facebook & Co schaffen zwar gutbezahlte Arbeitsplätze, zahlen in Deutschland bzw. Hamburg aber keine Steuern.

So düster würde ich das Bild des Standorts nicht zeichnen. Wir erleben gerade überall große Veränderungsprozesse und natürlich steht auch der Medienstandort Hamburg vor der Aufgabe, sich dem digitalen Wandel anzupassen und innovativ zu sein. Ich nehme hier aber eine hohe Innovationsbereitschaft war und sehe, dass Hamburg für die Medienwirtschaft ein hochinteressanter Standort ist. Inhalte sind eines der wichtigsten Güter in einer sich zusehends digitalisierenden Welt. Die Medienwirtschaft ist deshalb für unsere Stadt von großer Bedeutung. Über 85.000 Menschen arbeiten in Medienberufen und nach wie vor ist kein anderer Medienstandort so breit aufgestellt wie Hamburg. Nicht umsonst haben große nationale und internationale Medienunternehmen hier ihre Homebase. Das hat neben der großen Attraktivität der Stadt auch viel mit einem guten Personal zur Verfügung, das es in der Stadt gibt. Auch die Musikwirtschaft – vom Major bis zum Digitalvertrieb – hat hier in den letzten Jahren erfolgreich neue Wege beschritten und neue Modelle erprobt, mit denen sie heute erfolgreich am Markt agiert. Zudem ist das Reeperbahn Festival ein ganz wesentliches Element zur Vernetzung der Musikwirtschaft, durch die Labelförderung unterstützen wir kleinere Musiklabels bei ihren Produktionen und mit Music WorX bieten wir ein Förderprogramm speziell zur Unterstützung innovativer Ideen an. Unsere Aufgabe ist es den Bedürfnissen der Szene gerecht zu werden und für eine qualitative Gestaltung der Rahmenbedingungen zu sorgen. Die Frage nach der Besteuerung von Google, Facebook und Co hingegen ist eine, die aktuell insbesondere auf europäischer Ebene zu klären ist. Klar ist, dass sich Hamburg für ein level playing field einsetzt, damit zwischen den Wettbewerbern vergleichbare Marktbedingungen herrschen.

4) Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welches internationale Medienunternehmen würden Sie gern in Hamburg ansiedeln und warum?

Mit Google, Facebook, Snap und Twitch haben wir ja schon einige internationale Medienunternehmen hier. Auch wenn ich gerne noch mehr in Hamburg willkommen heiße, fände ich es mindestens genauso schön, wenn umgekehrt eines der Hamburger Unternehmen oder Start-ups ein internationaler Champion wird. Was Bauer und Gruner + Jahr einst gelungen ist, wäre gerade bei unseren Digitalunternehmen höchst erfreulich. 

5) Im Rahmen unserer Publisher Business Conference  versuchen auch wir, den Fokus mehr auf die Chancen denn auf die Risiken zu lenken. Aus Perspektive der Politik: Wo entwickelt sich die Hamburger Medienindustrie positiv und wie können Sie aus dem Rathaus heraus diesen Prozess unterstützen?

Gut, dass Sie endlich nach den Chancen fragen. Die überwiegen nämlich auch bei der Digitalisierung der Medienwirtschaft eindeutig. Wir sehen positive Entwicklungen überall dort, wo die Produzentinnen und Produzenten von Inhalten eine hohe Digitalkompetenz erlangt haben. Das schaffen nicht nur neue Streaminganbieter wie RocketBeans, sondern auch klassische Anbieter wie etwa die ZEIT. Auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen können und wollen wir keinen Einfluss ausüben. Aber wir unterstützen beispielsweise Experimente mit neuen digitalen Ansätzen, denken Sie etwa an das Prototyping Lab unserer Standortinitiative NextMedia. Wir tragen Verantwortung dafür, dass am Standort genügend Fachkräfte mit dem nötigen digitalen Know-how zur Verfügung stehen. Wir vernetzen die Akteure und sind sozusagen Brückenbauer für Kooperationen zwischen Forschung und Wirtschaft sowie zwischen einzelnen Branchen wie zum Beispiel Games und Presse.

6) Sollte die Politik offen für eine veränderte Subventions- oder Steuerpolitik sein? Eventuell über ein Art GEZ für Verlage oder über Instrumente der Standortpolitik? Oder würde das das Bild der unabhängigen Medien konterkarieren?

Zunächst hat sich unser duales Mediensystem sehr bewährt. Das muss so bleiben, denn es zeigt sich aktuell wieder einmal, wie wertvoll der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Medienvielfalt in unserem Land ist. Wir brauchen das Miteinander von privatwirtschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Finanzierung des Journalismus. Eine Demokratie, in der über kommunale Politik, über Missstände in der Verwaltung oder in der Wirtschaft nicht mehr professionell berichtet wird, kann ich mir schwerlich vorstellen. Deshalb ist es gut, wenn wir als Politik nach Wegen suchen, um diese für unsere Gesellschaft so wichtigen Medien und ihre Akteure zu unterstützen. Dazu braucht es vernünftige Ordnungspolitik, Unterstützung bei der digitalen Transformation und gezielte Hilfe, keine flächendeckende Subvention. Wir können Angebote, die einen Mehrwert für das Gemeinwohl haben, steuerlich begünstigen. Und wir können Initiativen ermutigen, die neue Wege im Journalismus gehen.

7) Ihr Parteikollege Martin Schulz hat in seiner Rede auf der PBC 2019 hervorgehoben, dass Medienunternehmen den wirtschaftlichen Druck zu oft an Journalisten weitergeben und deren Arbeit darunter leiden kann. Wie hat sich die Zusammenarbeit geändert? Sind die Kollegen etwas weniger „bissig“, weil die Kraft fehlt oder sogar noch deutlich „aggressiver“, weil noch mehr Schlagzeilen produziert werden müssen?

Für diejenigen, die in einer Gesellschaft Verantwortung tragen, ist guter Journalismus häufig unangenehm – und das ist gut so. Denn ihre Kontrolle ist die vielleicht wichtigste Aufgabe des Journalismus. Da hat sich nach meiner Wahrnehmung zum Glück wenig geändert. Ich sorge mich eher darum, dass wirtschaftliche Zwänge dazu führen könnten, dass ganz allgemein die Qualität redaktioneller Inhalte abnimmt. 

8) Wie gehen Sie persönlich mit den Veränderungen um? Noch vor ein paar Jahren hat man es sich als Politiker in Hamburg besser nicht mit den Chefredakteuren von MOPO Und Hamburger Abendblatt verdorben. Kann man heute auch im regionalen Umfeld auf Social Media ausweichen und die Wähler über Facebook und Twitter erreichen? Es gibt ja Präsidenten, die machen das teilweise vor…

Natürlich nutze ich die Möglichkeiten direkter Kommunikation, die soziale Medien bieten. Für bestimmte Themen und Inhalte ist zum Beispiel Twitter ein gutes Medium. Zugleich spielen die traditionellen Medien für den vernunftorientierten öffentlichen Diskurs nach wie vor eine zentrale Rolle und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Sie machen das allgemein Wichtige sichtbar. Soziale Medien dagegen befördern Inhalte eher nach Kriterien persönlicher Relevanz und es gilt immer wieder zu überprüfen, ob diese mit den Kriterien der öffentlichen Relevanz übereinstimmen. 

9) Auch heute noch scheint es, dass die Parteien der äußeren Ränder eher auf Social Media setzen und dabei auch nicht unerfolgreich sind. Warum tun sich die etablierten Parteien mit der direkten Kommunikation so schwer?

Ich vermute aus zwei Gründen. Zum einen tun sich viele etablierte Institutionen schwer damit, ihre Kommunikationswege und -formen radikal zu verändern. Zum anderen haben demokratische Standpunkte immer einen diskursiven Nachteil: Sie sind differenzierter und komplexer als populistische Botschaften. Der Erfolg radikaler Parteien liegt ja leider oft gerade in der Einfachheit ihrer vermeintlichen „Lösungen“ für aktuelle Probleme. Zugleich argumentieren sie deutlich emotionaler, und soziale Medien sind nun einmal stark von Emotionen getrieben. Leidenschaft lässt sich allerdings auch für demokratische Positionen entfachen. In diesem Punkt haben demokratische Parteien sicherlich noch etwas aufzuholen.

10) Es ist ja noch ein bisschen hin, bis am 17. Juni  die nächste Publisher Business Conference stattfindet. Wir freuen uns, dass Sie unsere kleine Veranstaltung als offizieller Repräsentant der Stadt eröffnen. Wenn Sie aber schon heute zur versammelten Branche sprechen würden, welche Botschaft würden Sie den Kollegen mit auf den Weg geben wollen?

Setzen Sie sich glaubwürdig für kritische Medien ein. Vertrauen Sie auf die Stärke Ihrer Inhalte. Und schließlich: Bleiben Sie überzeugbar und bewahren Sie sich den Glauben an die Kraft des besseren Arguments.